Herr Minister Lucha: das sind die Fakten!

Berlin, 23. August 2022. Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) hat sich für Homöopathie und gegen eine vorläufige Entscheidung der Landesärztekammer Baden-Württemberg ausgesprochen, die Weiterbildung Homöopathie abzuschaffen. Das hat ihm viel Gegenwind eingebracht. Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) begrüßt Luchas Stellungnahmen und liefert zur Unterstützung Fakten zur Homöopathie.

Die Neue Züricher Zeitung hat kürzlich darauf hingewiesen, dass sich in den letzten Jahrzehnten zwischen moderner und alternativer Medizin ein „aufgeschlossenes Verhältnis“ entwickelt habe. Das stimmt einerseits, aber jede Münze hat zwei Seiten.

Die eine: Es gibt zahlreiche hochqualifizierte Einrichtungen im Klinik- und Ambulanzbereich, die ernsthaft und konsequent auf wissenschaftlicher Basis komplementäre Therapiemethoden in ihre individuellen Behandlungskonzepte einbeziehen, beforschen und dabei pathogenetische und salutogenetische Aspekte gleichermaßen berücksichtigen. Dies entspricht nicht zuletzt dem Wunsch großer Teile der Bevölkerung und wird durch spezifische ärztliche Weiterbildung gewährleistet. Die Therapiesicherheit steht dabei ohne jede Frage im Zentrum jeder ärztlichen Bemühung

Die andere: Es gibt Stimmen, die alles ablehnen und teilweise mit missionarischem Sendungsbewusstsein bekämpfen, was sich nicht unmittelbar einem – inzwischen inflationär gebrauchten – Evidenzbegriff unterordnen lässt. Dabei wird die im Grunde wünschenswerte Evidenzbasierung oft genug sinnentstellend interpretiert, indem ausschließlich die externe Evidenz („Studien“) in den Fokus gerückt, die interne Evidenz („ärztliche Erfahrung“) sowie die Patientenwünsche ignoriert werden. Im Zentrum dieser selektiven Wahrnehmung steht seit Jahren die Homöopathie. Und deren Anwender werden wahlweise als „Flacherdler“, „Voodoo-Mediziner“, „Esoteriker“ oder ewig gestrige Wissenschaftsverächter denunziert.

Vor diesem Hintergrund bedarf es einiger grundsätzlicher Klarstellungen:

1. Homöopathisch tätige Ärztinnen und Ärzte sind akademisch ausgebildet, vertreten, wo immer möglich, eine wissenschaftsbasierte Medizin, sind Teil einer Ärzteschaft, die den facharztübergreifenden Austausch sucht, vertreten ein kollegiales Miteinander im Interesse der Patientinnen und Patienten und haben – im Gegensatz zu ihren Kritikern – keine Berührungsängste gegenüber den Vertretern der konventionellen modernen Medizin.

2. Homöopathisch tätige Ärztinnen und Ärzte akzeptieren Evidenzbasierte Medizin, sofern alle drei Säulen der Sackett‘schen Definition im Fokus bleiben. Dies bedeutet nicht Beliebigkeit in der Fokussierung auf die eine oder andere der drei Säulen. Es bedeutet vielmehr, bei jedem einzelnen Kranken abzuwägen, welche der Teilaspekte im Interesse von Sicherheit und Würde des/der individuellen Patient:in im Vordergrund zu stehen haben. Im Übrigen: Für viele, gerade ältere und unter Umständen multimorbide Patient:innen existieren keine evidenzbasierten Therapieleitlinien, sodass in diesen Fällen ohnehin und oft genug die Patientenpräferenz und ärztliche Erfahrung den Ausschlag geben muss.

3. Placebo-Effekte finden sich in allen Bereichen der Medizin und sollten aus Sicht der noch relativ jungen Placebo-Forschung auch explizit genutzt werden. Selbstverständlich treten auch in der Homöopathie solche Effekte auf, aber ausgebildete und erfahrene homöopathisch tätige Ärztinnen und Ärzte können im Einzelfall an der mitunter überraschenden, teilweise auch zunächst widersprüchlichen oder sogar „falschen“ Patient:innen-Reaktion ausreichend sicher unterscheiden, ob es sich um eine reine Placebo-Reaktion handelt oder um eine Arzneimittelwirkung. Diese Beurteilung setzt freilich mehr als bloß theoretische oder auch ideologisch verkrampfte Auseinandersetzung mit Homöopathie voraus.

4. Die Grundlagenforschung zur Homöopathie hat in den letzten Jahren reproduzierbare Ergebnisse in Pflanzen- und Tiermodellen geliefert, die eindeutig jenseits mutmaßlicher Placebo-Reaktionen liegen und die prinzipielle Wirksamkeit auch höher potenzierter Wirkstoffzubereitungen belegen. Was also „eigentlich“ gar nicht sein kann, lässt sich im wissenschaftlichen Experiment nachweisen. Für manche Kritiker:innen der Homöopathie sind solche Ergebnisse störend und werden flugs als irrelevant relativiert. Wissenschaft wäre, verstehen zu wollen, wie das sein kann.

5. Die Versorgungsforschung hat wiederholt die alltagspraktische Relevanz des komplementären Einsatzes von Homöopathie gezeigt. Wenn sich unter homöopathischer Therapie z.B. Antibiotika nachweislich einsparen lassen, dann wäre es eine fatale Fehlentscheidung, dies vor dem Hintergrund bedrohlicher Resistenzentwicklungen allein aus prinzipiellen theoretischen Überlegungen nicht zu tun! Ähnliches gilt für Einsparung von Psychopharmaka und Schmerzmitteln, und sogar Krankentage und Liegezeiten in Kliniken lassen sich reduzieren. Solche Resultate gehören somit auch in jede gesundheitsökonomische Güterabwägung!

6. Der aktuelle Diskurs rund um Homöopathie lässt auf Seiten der Kritiker Augenmaß und intellektuelle Redlichkeit Auffällig dabei: Die Anti-Homöopathie-Protagonist:innen – wir können sie auch als Kampagnenführer:innen bezeichnen – haben fern eigener wissenschaftlicher Tätigkeit zum Thema nie irgendwelche eigenen konstruktiven Beiträge zur wissenschaftlichen Datenbasis beigetragen, und viele Medien haben deren meist destruktiven Argumentationsduktus zumeist ungefiltert übernommen. Die Folge: Argumente werden nur noch selten gehört, berücksichtigt oder abgewogen, sondern lediglich mantraartig wiederholt.

7. Ein Wort noch zu den Patientinnen und Patienten, die ja eigentlich im Mittelpunkt aller Überlegungen und damit am Anfang stehen sollten: Aufgeklärte Menschen können in Zeiten von Google und Co. sich jederzeit über Medikamente, Nebenwirkungen, Alternativen, Experten und eben auch über Homöopathie informieren. Und die Nachfrage nach und Zufriedenheit mit homöopathischen Arzneimittel ist hoch. Wenn Menschen sich also für Homöopathie – komplementär oder integrativ – entscheiden, dann tun sie dies zumeist aus Erfahrung, Überzeugung, Empfehlungen oder auch aus Frustration wegen ihrer Erfahrungen in der konventionellen Medizin.

Das spricht nicht gegen letztere, aber auch nicht gegen Homöopathie! Die vielbeschworene „Gefahr“, die für angeblich uninformierte Patientinnen und Patienten von der Homöopathie ausgeht, ist ein selbstgeschnitztes Scheinargument mit dem Ziel der Verunsicherung. In ärztlicher Hand ist Homöopathie eine sichere Ergänzung des therapeutischen Werkzeugkastens und somit Teil einer breit angelegten und wissenschaftlich begleiteten Integrativen Medizin.

2024-08-14T14:06:00+02:00

Kommentar: EVIDENZ und ERFAHRUNG – kein Widerspruch!

„Die Summe aus externer und interner Evidenz muss stimmen“

Dieser Satz stammt von …. Lauterbach? Falsch! Hirschhausen? Schön wär`s! Grams-Nobmann? Voll daneben! Sie brauchen noch ein bisschen mehr Information…? Sehr gerne, wie wär`s damit:

„Wenn in der Frage, die ein Patient aufwirft, keine randomisierte Studie durchgeführt wurde, ist nach der nächstbesten Evidenz zu suchen und diese zu nutzen“

 Sie ahnen schon was? Sie brauchen noch etwas Hilfe? Also:

„In dem Maße, wie der Grad der externen Evidenz abnimmt, muss die interne Evidenz (ärztliche Kunst, Kompetenz) zunehmen“

 Also bitte, jetzt sind Sie aber schon ganz nah dran! Sie meinen, der letzte Satz sei aus dem Zusammenhang gerissen? Bitte schön, so geht’s weiter im Text:

„Nur die Zunahme an interner Evidenz vermeidet in diesen Situationen eine unkontrollierbare Beliebigkeit in der Therapieentscheidung. Denn gerade in diesen Situationen kommt der Kompetenz  des Arztes, seinem Können und seiner Erfahrung die entscheidende Bedeutung zu.“

Und dann kommt der erste oben zitierte Satz, da capo. Eine runde Sache eigentlich! Und sie stammt von David Sackett, dem Begründer der Evidenzbasierten Medizin!

Es entspricht der medizinischen „Leitkultur“ unserer Tage, ausschließlich (natur-) wissenschaftlichen Studienergebnissen auf dem Altar des positivistischen Zeitgeistes zu huldigen. Wer zaghaft oder auch selbstbewusst darauf hinweist, dass es daneben auch noch eine, in der Praxis gewachsene Erfahrung gibt, der oder die wird sehr rasch als Ketzer denunziert und auf dem Scheiterhaufen der reinen medizinischen Lehre verbrannt. Zumindest, wenn es um Homöopathie geht: da gibt es einen Shitstorm, wenn man sich auf Erfahrung beruft, z.B. so (auf Twitter, und das ist die absolut harmlose Variante): Erfahrung? Ich kann es nicht mehr hören. Evidenz bedeutet Wissenschaft, der Rest kann weg… und so weiter.

Sehr geehrte Ordinarien medizinischer Fakultäten, liebe Chef- und Oberärzte, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der primärärztlichen Basisversorgung: kommen Sie alle ohne Ihre Erfahrungen aus jahre- und jahrzehntelanger Praxistätigkeit aus? Folgen Sie nur noch vorgegebenen Therapie-Algorithmen? Machen Sie sich und wir uns nicht als Menschen Schritt für Schritt überflüssig? Was machen wir in unklaren Entscheidungssituationen, bei multimorbiden Patienten, bei unerwartetem Nichtansprechen unserer Therapieentscheidungen, bei nicht tolerierbaren Wechsel- oder Nebenwirkungen unserer evidenzbasierten Standart-Therapien? Oder bei Menschen am Ende ihres Lebens, wenn manche Therapieoptionen ausgeschlossen, kontraindiziert oder von den Betroffenen schlicht  nicht (mehr) gewünscht werden?

Wie oft gelingt es uns denn, einen durch biomathematische Verfahren definierten „Normalpatienten“ mit einem individuellen Kranken zu vergleichen und ihm zu 100 Prozent gerecht zu werden? Ist es bewiesen, dass eine individuelle und erfahrungsgestützte Therapie im Einzelfall weniger zielführend ist als eine streng an Kriterien der Evidenzbasierung orientierte Behandlung? Die evidenzbasierte Medizin ist eine wesentliche Errungenschaft im Kampf gegen Beliebigkeit in der Therapie. Aber, wie schon Sackett hervorhob, ist EbM eben nicht nur der alternativlose Verweis auf wissenschaftliche Studienergebnisse, sondern beinhaltet  ein „Sowohl, als auch“, also das neben- und miteinander von Wissenschaft und Erfahrung. Wie Sackett es eben so treffend formuliert hat: Die Summe aus Beidem muss stimmen.

Die Homöopathie wegen – angeblichen! – Mangels an wissenschaftlichen Studienergebnissen aus Köpfen, Herzen und Weiterbildungsordnungen zu streichen ist nicht rational, sondern weltanschaulich begründet. Indem man die vorhandenen Ergebnisse aus Grundlagen- und Versorgungsforschung negiert, wird im aktuellen Diskurs auch gleich der Wert von ärztlicher Erfahrung über Bord gekippt. Von den positiven Erfahrungen zahlloser Patientinnen und Patienten ganz zu schweigen! Es wird der Einfachheit halber unterstellt, dass auch die Erfahrung der Menschen bedeutungslos wären, weil die Wissenschaft es allemal besser weiß, was einem kranken Menschen gut zu tun hat und was nicht. Diese Sicht hat, mit Verlaub, etwas selbstgerecht Autoritäres an sich, und die Zensur alternativer Behandlungsoptionen wie der Homöopathie ist, wie jede Zensur auch ein potenzieller Schritt in die Unfreiheit. Dagegen sollten sich all jene wehren, denen ihre persönlichen, aber auch die politischen Freiheiten wichtig und wertvoll sind, die uns unsere freiheitliche Demokratie bietet!

Dr. med. Ulf Riker, 2. DZVhÄ-Vorsitzender

2022-07-25T17:32:10+02:00

DZVhÄ zum Aus der Weiterbildung Homöopathie in Baden-Württemberg

Berlin, 23. Juli 2022.
Die Delegierten der Landesärztekammer Baden-Württemberg haben in ihrer heutigen Kammerversammlung gegen den Erhalt der Zusatzbezeichnung Homöopathie gestimmt. Damit haben sie nicht nur gegen Vielfalt im Sinne der Integrativen Medizin unter Einbezug der Homöopathie plädiert, sondern auch entgegen vorhandener Faktenlage das Narrativ der fehlenden Wissenschaftlichkeit wiederholt.

Dr. Michaela Geiger, 1. Vors. DZVhÄ e.V.

„Damit sind sie“, so Dr. med. Michaela Geiger, Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ), „nicht nur zahllosen Patient:innen, sondern auch deren qualifizierten Ärzt:innen ohne Not in den Rücken gefallen“.
Das Abstimmungsergebnis ist auch ein beschämendes Zeichen dafür, dass menschlich-ärztliche Erfahrung im Vergleich zu reiner Wissenschaftsgläubigkeit erneut an Boden verloren hat. Quo vadis?

2022-07-25T08:47:46+02:00

Brief an die BÄK zur Streichung der Zusatzbezeichnung Homöopathie

Mit Unverständnis haben wir die Entscheidung des 126. Deutschen Ärztetages zur Kenntnis genommen. Sowohl das formale Prozedere der Abstimmung als auch die Begründung des Entscheides sind für uns als ärztliche Kolleg:innen nicht nachvollziehbar.

Deshalb legen wir im Folgenden unseren offenen Protest ein:

Formales

„Die Einberufung zum ordentlichen Ärztetag soll mindestens vier Wochen vor dem Ärztetag unter Bekanntgabe der Tagesordnung ergehen“, so steht es in § 2.1 der Geschäftsordnung des Ärztetages. Außerdem heißt es dort (§ 7): „Dringende Anträge über Gegenstände, die nicht auf der Tagesordnung stehen, müssen […] begründet werden.“

Der Antrag auf Streichung der Zusatzbezeichnung Homöopathie aus der Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) wurde erst am Tag der Abstimmung von 7 Delegierten gestellt (siehe Beschlussprotokoll, ein Wortprotokoll über den Hergang der Abstimmung liegt uns nicht vor). Die besondere Dringlichkeit des Antrages wurde laut Beschlussprotokoll nicht begründet.

Eine solche war auch nicht gegeben, weil das Thema bereits seit dem 122. Deutschen Ärztetag in Erfurt auf der Agenda stand (damals mit einem Votum für den Erhalt der Homöopathie in der MWBO), alle Landesärztekammern bereits ihre eigenen Entscheidungen getroffen hatten und aktuell auch keine relevanten oder neuen Tatbestände vorlagen, die eine dringende Änderung des Votums von 2018 erforderlich gemacht hätten.

Der Antrag auf Änderung der Muster-Weiterbildungsordnung hätte nach unserer Meinung ob seiner grundsätzlichen und zukünftigen Bedeutung auch nicht unter dem Unterpunkt „Verschiedenes“ in die Tagesordnung des Ärztetages aufgenommen werden dürfen. Als Antrag zur Änderung der Muster-Weiterbildungsordnung hätte dieser TOP gesondert ausgewiesen werden müssen.

Die Dramaturgie des formalen Prozedere war allem Anschein nach bewusst gewählt:

Im „Hauruckverfahren“ das Thema mit dem Minimum notwendiger Stimmen auf die Agenda heben, damit Zeit- und Abstimmungsdruck erzeugen und darauf hoffen, dass unter dem gewaltigen Druck anderer gewichtiger Themen das Thema Homöopathie nebenbei, rasch und endgültig erledigt werden kann.

Wesentlicher Teil dieser Strategie war: eine fachliche und sachliche Auseinandersetzung mit Vertretern der Homöopathie ebenso zu verhindern wie eine kritische Würdigung vorliegender Ergebnisse aus wissenschaftsbasierter Forschung.

Im Handstreich wurde der Sinn einer frühzeitigen Bekanntgabe der Tagesordnung ausgehebelt, nämlich eine fundierte Auseinandersetzung mit einem zur Abstimmung stehenden Thema überhaupt erst zu ermöglichen.

Die Konsequenz: Eine große Zahl an Delegierten ist ihren eigenen ärztlichen Kolleg:innen in den Rücken gefallen, gerade so, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, Ärzt:innen ihre Seriosität, womöglich sogar Zurechnungsfähigkeit, auf jeden Fall aber ihr Recht auf Anhörung als demokratische Grundvoraussetzung abzusprechen, wenn sie sich der Homöopathie zugewandt haben.

Inhaltliches

Der Antrag auf Streichung der Zusatzbezeichnung Homöopathie aus der MWBO wurde pauschal mit dem Fehlen wissenschaftlicher Studien als Beleg für einen evidenzbasierten Einsatz begründet.

Diese Darstellung ist nicht zutreffend!

Eine Anhörung von Vertreter:innen der ärztlichen Fachgesellschaft Deutscher Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) und von Wissenschaftlern hätte eine Klärung und Korrektur herbeiführen können [1-6]. Eine tatsächliche Beschäftigung mit der aktuellen Studienlage über das reine „Hörensagen“ hinaus hätte womöglich in vielen Fällen zu Kritik und Zweifel am Sinn des Antrages beigetragen. Die Delegierten haben sich hingegen allein auf die seit Jahren stereotyp wiederholten Darstellungen einer kleinen Clique sogenannter Skeptiker bezogen.

Dieses Vorgehen steht einer sachbezogenen und ausgewogenen Meinungsbildung auf dem Boden von Fakten diametral gegenüber. Ein großer Teil der Delegierten hat insofern die Sorgfaltspflicht in der Vorbereitung der Abstimmung verletzt.

Als Anschlussbegründung wird auf das Fehlen wissenschaftlicher Studien hingewiesen, weswegen die Grundsätze fehlten, nach denen in einem kolle­gialen Gespräch der Wissenserwerb in der Weiterbildung überprüft werden könne.

Diese Darstellung ist ebenfalls nicht zutreffend!

Gerade weil zahlreiche Studien (Grundlagenforschung [2,3], Versorgungsforschung [5,6], Eingang in S3-Leitlinie [4]) vorliegen, konnten die kollegialen Prüfungsgespräche vor den Ärztekammern in den letzten Jahren den Anspruch der Wissenschaftlichkeit konkret hinterfragen. Damit wurden die Nachprüfbarkeit der seit Jahrzehnten von den Ärztekammern kontrollierten Curricula einerseits sowie die in Fallseminaren erworbene Qualifikation und Erfahrung hinsichtlich der konkreten Anamneseführung, Fallanalyse und homöopathischer Arzneiwahl sogar optimiert, ihre Plausibilität erhöht und ihre wissenschaftliche Basierung untermauert.

Haben abstimmungsberechtigte Delegierte je an entsprechenden Prüfungen vor den Ärztekammern teilgenommen?

Schlussfolgerung

Vor diesem Hintergrund ist das Votum der Delegierten des 126. Deutschen Ärztetages 2022 in Bremen

  • kurzsichtig, weil es zukünftig genau jene Menschen (durch Vorent­halten einer zukunftssicheren quali­fizierten ärztlichen Homöopathie) bestraft, die schon immer bewusst und durch eigene Bemühungen um Gesund­erhaltung, nicht zuletzt mittels nicht unerheblicher Eigenleistung ihren präventivmedizini­schen und damit auch ökonomischen Beitrag in einem stabilen Patient-Arzt-Setting geleistet haben und auch weiterhin leisten wollen
  • nicht nachvollziehbar, weil Patientenwünsche (Säule 3 der Evidenz­basierten Medizin nach D.L. Sackett) komplett unberücksichtigt bleiben
  • undemokratisch, weil die Bevölkerung bzw. zukünftige Patient:innen zu keinem Zeitpunkt in die Entscheidung einbezogen oder auch nur mitgedacht waren, deren Konsequenzen sie freilich zukünftig zu tragen haben
  • willkürlich, weil die vorhandene wissenschaftliche Datenlage zu Evidenz und Wirksamkeit der Homöopathie komplett ignoriert wurde
  • sicherheitsgefährdend, weil die Integration der Homöopathie in eine lege artis praktizierte ärztliche Patientenversorgung allein aus theoretischen bzw. weltanschaulichen Gründen zukünftig verhindert wird
  • respektlos gegenüber qualifizierten und bewusst integrativ arbeitenden (Fach-)Kolleg:innen.

Als homöopathisch qualifizierte (Fach-)Ärzt:innen sind wir Pflichtmitglieder unserer jeweiligen Ärzte­kammern. Wir verknüpfen unseren begründeten Protest mit der grundsätzlichen Frage, wie Gremien­arbeit, Entscheidungs­findung und Beschlussfassungen zukünftig transparenter, v.a. aber auch faktenbasiert und ideologiefrei gestaltet werden können.

Unser Versprechen

Patientinnen und Patienten werden sich auch in Zukunft darauf verlassen können, dass wir als qualifi­zierte (Fach-)Ärzt:innen größtmögliche Therapie­sicherheit und individuelle Behandlung im Rahmen einer integrativmedizinisch ausgerichteten Versorgung unter besonderer Berücksichtigung der Homöopa­thie gewährleisten!
Das sind wir in erster Linie den Menschen schuldig, aber selbstverständlich auch den Kostenträgern, die Homöopathie im Rahmen ihrer Satzungsleistungen bzw. in Selektivverträgen erstatten und dabei auch die ökonomischen Vorteile einer Therapieform schätzen, nämlich kurative und präventive Behandlungseffekte miteinander zu kombinieren.

Mit freundlichen Grüßen

Der Vorstand des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ)

Dr. med. Michaela Geiger, 1. Vorsitzende

Dr. med. Ulf Riker, 2. Vorsitzender

Gerhard Antrup, Vorstand Finanzen

Dr. med. Alexandra Schulze-Rohr, Vorstand Weiterbildung

2022-07-20T09:34:47+02:00

Homöopathie – Kassenleistung mit Evidenz!

Ist das nun das Sommerloch oder doch eher die Weiterführung einer Agenda der Skeptizisten, die Homöopathie ein für alle Male aus dem Gesundheitswesen der BRD zu werfen möchten? Homöopathie sei „nachweislich wissenschaftlich nicht wirksam“ meint FDP-Vize Vogel, und gehöre deshalb als Kassenleistung abgeschafft. Zwei Tage später liefert die Ex-Homöopathin Grams-Nobmann den erweiterten Argumentationsrahmen in einem Netzwerk der GRÜNEN. Klingt irgendwie nach konzertierter Aktion. Was aber sind die Fakten?

Seit Jahren gilt der sogenannte Australische Bericht des NHMRC, der australischen Gesundheitsbehörde, als Beweis dafür, dass Homöopathie keine klinische Wirksamkeit habe. Dieser Bericht hatte schwerwiegende verfahrenstechnische und wissenschaftliche Fehler und muss sich unter Anderem dem Vorwurf stellen, willkürlich gewählte Regeln bei der Auswahl der untersuchten Studien angewandt zu haben. Deshalb sah sich die Direktorin des NHMRC, Prof. Kelso 2019 zu der Richtigstellung veranlasst: „Entgegen einiger Behauptungen kam der Bericht nicht zu dem Schluss, dass Homöopathie ineffektiv ist“. Dennoch folgten und folgen Medien und Politik bis zum heutigen Tag den Aussagen des manipulierten Berichtes, die Korrektur von Prof. Kelso blieb weitgehend unberücksichtigt.

Auf Basis dieses fehlerhaften und damit wissenschaftlich nicht relevanten Berichtes hält sich die stereotyp wiederholte Aussage, Homöopathie wirke nicht über den Placebo-Effekt hinaus. Die dahinter stehende „Logik“: wenn Homöopathie nicht wirksam sein kann, aber dennoch wirkt (wie auch aus Reihen der Skeptizisten nicht grundsätzlich in Abrede gestellt wird!), dann kann es sich nur um einen Placebo-Effekt handeln. Wenn freilich das Ergebnis des australischen Berichtes, also der Ausgangsbefund gar nicht stimmt, dann muss auch die Schlussfolgerung revidiert werden.

Der Fall des „Australischen Berichtes“ lässt erahnen, dass im Bereich der Wissenschaft nicht immer korrekt gearbeitet und, wie das Beispiel Homöopathie zeigt, nicht selten mit zweierlei Maß gemessen wird: das NHMRC hat bei Homöopathie im Vergleich zu seiner sonstigen Praxis besonders strenge Regeln angewandt, diese „Sonderbehandlung“ aber nicht begründet.

Evidenzbasierung gilt als zentrale Forderung in der Wissenschaft und ist im Bereich der Medizin zu recht die Basis für Therapieleitlinien. In jüngerer Zeit gibt es immer wieder Zweifel daran, dass dieses Paradigma wirklich „sauber“ ist. Im anerkannten „British Medical Journal“ (BMJ) war jüngst von der „Illusion der evidenzbasierten Medizin“ die Rede. Und im „Journal of Clinical Epidemiology“ wird aktuell vorgerechnet, dass überhaupt nur 6 % aller Cochrane-Reviews solide belegte Hinweise auf Wirksamkeit der untersuchten Interventionen geben. Unter diesen Umständen wären also ziemlich viele, alltagsübliche medizinische Maßnahmen und Therapien auf den Prüfstand zu stellen: wie zielführend, relevant, verträglich, nebenwirkungsarm sind sie und wie lautet die korrekte Begründung für ihren Verbleib im Leistungskatalog der Krankenkassen?

Fakt ist, dass es für die Homöopathie inzwischen genügend plausible wissenschaftliche Hinweise für ihre grundsätzliche und spezifische Wirksamkeit gibt. Es ist und bleibt willkürlich, diese Fakten zu ignorieren. Die Grundlagenforschung zeigt, dass homöopathisch zubereitete Substanzen im Pflanzen- und Tiermodell signifikante und reproduzierbare Wirkungen zeigt. Die Versorgungsforschung gibt wiederholt Hinweise auf relevante Verbesserungen im klinischen Alltag bei gleichzeitig weniger Nebenwirkungen. Und nicht zuletzt zeigen auch Metaanalysen und Reviews statistisch signifikante positive Therapieeffekte, die über eine Placebowirkung hinausgehen.

Weitere Informationen, eine Auswahl:

Dass Erstattung von Homöopathie nicht nur ein Marketing-Trick der Krankenkassen zur Gewinnung junger, gutverdienender, nicht wirklich kranker Menschen, sondern eine wirksame und wirtschaftlich sinnvolle Therapie ist, hat jüngst die Securvita-Krankenkasse dargelegt: eine Auswertung der Daten von 15.700 Versicherten über mehr als drei Jahre zeigt, dass Homöopathie u.a. zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes, aber auch zur Reduktion von Krankenhausaufenthalten oder Krankentagen beiträgt, also zu einem positiven Effekt im Bereich wirtschaftlich relevanter Parameter.

„Solidargeld der Versicherten“ wird also nicht, wie von den Homöopathie-Gegnern permanent vorgetragen, für „nachweislich Unwirksames“ ausgegeben. Vielmehr ist Homöopathie eine weltweit und seit 200 Jahren bewährte Therapiemethode, die heute ihren wissenschaftlich und ökonomisch gut begründeten Platz in einer Integrativen Medizin der Zukunft hat und für mündige Menschen und Staatsbürger im Falle von Krankheit erhalten bleiben muss. Das erscheint auch in Anbetracht der resultierenden Krankenkassenkosten absolut vertretbar: diese liegen im Promillebereich! Vergessen wird leider in diesem Zusammenhang auch, dass homöopathie-affine Menschen ein durchaus überdurchschnittliches Gesundheitsbewusstsein haben und sehr oft ihre Selbstmedikation aus eigener Tasche zahlen, den Krankenkassen also sogar ganz konkret Kosten sparen.

Wenn man über einzusparendes Geld bei den Krankenkassen spricht, dann darf es nicht beim bloßen Hinweis auf die externe Evidenz aus Studien bleiben. Wichtig ist aus ökonomischer Sicht nämlich nicht nur, dass ein Medikament X bei einer Krankheit Y nachweislich wirken kann, sondern auch die Frage, wie häufig diese Wirkung im Praxisalltag bei konkreten Patient:innen tatsächlich auftritt, bzw. wie vielen Patient:innen mit der Diagnose Y das Medikament X verordnet werden muss, bis ein Patient tatsächlich davon profitiert. Diese „number needed to treat“ (NNT) ist ein beliebtes Maß für den – praktischen – Nutzen einer Behandlung. Eine Erhebung aus den USA, die in Nature veröffentlicht wurde, zeigt, dass z.B. bei Sodbrennen das Präparat Esomeprazol 24 Personen gegeben werden muss, bis einer tatsächlich davon profitiert. Ähnliches gilt auch für Cholesterinsenker, Asthmamittel oder Medikamente gegen Multiple Sklerose (bei einzelnen dieser „Blockbuster“ handelt es sich durchaus um teure Medikamente). Auch damit sollte die Einschätzung der Wirkung von Homöopathika und ihr geldwerter Vorteil verglichen werden.

Die Streichung der Homöopathie als Kassenleistung würde zu einer weiteren Spaltung innerhalb der Gesellschaft führen: einerseits diejenigen, die sich Homöopathie auch aus eigener Tasche leisten können, und andererseits diejenigen, denen das durch Streichung der Kassenleistung zukünftig verwehrt würde. In einer Zeit gesellschaftlicher Brüche brauchen wir aber nicht mehr, sondern weniger Spaltung!

Zusammenfassung

 Entgegen permanent vorgetragener Falsch-Aussagen ist Homöopathie

  • wissenschaftlich gut untersucht und über den Placeboeffekt hinaus wirksam. Anders lautende Aussagen sind falsch und werden auch durch permanente Wiederholung nicht richtiger.
  •  evidenzbasiert, sofern man nicht der willkürlichen Reduzierung der Definition (Sackett) von evidenzbasierter Medizin (EbM) allein auf externe Studienevidenz folgt, sondern auch die interne Evidenz (ärztliche Erfahrung) und die Wünsche der Patient:innen berücksichtigt.
  •  eine gesundheitsökonomisch relevante Ergänzung, teilweise Alternative zur konventionellen Medizin.

Die Forderung, Homöopathie mit Hinweis auf den Kostendruck im deutschen Gesundheitswesen als Kassenleistung zu streichen ist weder unter dem Aspekt ihrer theoretischen Begründung noch aus sachlichen und praxisrelevanten Gründen vertretbar. Im Gegenteil bietet Homöopathie eine Grundlage für längerfristige Einsparmöglichkeiten im Rahmen einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten modernen Medizin unter aktiver Beteiligung mündiger und selbstreflektierter Bürgerinnen und Bürger.

Der menschliche Organismus als hochkomplexes System lässt sich allein durch lineare Ursache-Wirkung-Korrelationen nicht vollständig und abschließend beschreiben. Die angeblich fehlende Plausibilität des Wirkprinzips der Homöopathie kann in einer auf wissenschaftlichen Fortschritt ausgerichteten Welt nicht ausschlaggebend sein in der Würdigung der Homöopathie. Solange Phänomene der Gravitation oder neuerdings auch der Quantenphysik (Stichwort: Quantenverschränkung – ein im Bereich der klassischen Physik „unmögliches“ Phänomen!) nicht endgültig und wissenschaftlich zufriedenstellend er- und geklärt sind ist auch weiterhin wissenschaftliche Offenheit und Neugier unumgänglich, wenn es um Homöopathie und ihr mutmaßliches Wirkprinzip geht. Eine Schlussfolgerung ähnlich dem „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“  entbehrt wissenschaftlicher Logik und medialer sowie politischer Sorgfalt.

Solange Grundlagenforschung placebofreie Effekte der Homöopathie und die Versorgungsforschung praxisrelevante und statistisch signifikante Wirkungen über den Placeboeffekt hinaus  dokumentiert, so lange sind Bestrebungen zur Elimination der Homöopathie kontraproduktiv und ausschließlich ideologisch begründet. Ideologie aber engt Sichtweisen immer ein und führt nicht zu einem mehr, sondern zu einem weniger an wohlverstandener und verantwortungsvoll in Anspruch genommener Freiheit.

Deshalb: Homöopathie muss aus den genannten Gründen und Hintergründen als Kassenleistung erhalten bleiben!

2022-07-27T08:06:14+02:00

Weltweite Deklaration für Integrative Medizin

Mit dieser Deklaration für Traditionelle, Komplementäre und Integrative Gesundheitsversorgung soll weltweit der Blick auf den Pluralismus in der Medizin gerichtet werden. Zu den Initiatoren gehören u.a. EUROCAM und die European Federation of Homeopathic Patients’ Associations. Bereits 130 Organisationen, darunter der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ), WissHom und das HRI, haben die Deklaration an die WHO unterschrieben. Neben den Organisationen und Verbänden unterstützen auch Einzelpersonen die Forderungen.

Dr. med. Michaela Geiger, DZVhÄ-Vorsitzende: „Wir unterstützen diese Deklaration für traditionelle, komplementäre und integrative Versorgung. Sie ist ein starkes Signal im Schulterschluss mit vielen nationalen und internationalen Verbänden. Besonders für Deutschland fordern wir einen offenen wissenschaftlichen Diskurs, mehr Forschungsgelder und mehr Nachwuchsförderung im Bereich der Integrativen Medizin.“

Traditionelle, Komplementäre und Integrative Gesundheitsversorgung (Traditional, Complementary and Integrative Healthcare, TCIH) steht für eine respektvolle Zusammenarbeit zwischen verschiedenen medizinischen Systemen und unterschiedlichen Gesundheitsberufen. Das Ziel ist eine patientenzentrierte und ganzheitlich ansetzende Gesundheitsversorgung. In mindestens 80 Prozent der Mitgliedstaaten der WHO wird traditionelle und komplementäre Medizin angewendet.

Zentrale Inhalte der Deklaration

Die Gesundheitsversorgung, die wir wollen

  • fokussiert auf den ganzen Menschen mit seinen physischen, mentalen, sozialen und spirituellen Dimensione
  • ist patientenzentriert und unterstützt die körpereigenen Regulationsfähigkeiten
  • ist partizipativ angelegt und respektiert individuelle Entscheidungen
  • ist evidenzbasiert, indem sie klinische Erfahrungen, Patientenpräferenzen sowie vorhandene Forschungsergebnisse integrier
  • respektiert kulturelle Diversität und regionale Unterschiede
  • ist ein integraler Bestandteil der internationalen Konzepte von „Community Health“ und „Planetary Health“
  • nutzt natürliche und nachhaltige Ressourcen
  • integriert traditionelle, komplementäre und konventionelle medizinische Verfahren und unterstützt diese Zusammenarbeit ausdrücklich.

Wir respektieren ausdrücklich die Errungenschaften der modernen konventionellen Medizin, wir sehen aber auch deren Begrenzungen, zum Beispiel:

  • ungenügende Therapieoptionen bei chronischen und nicht-übertragbaren Erkrankungen
  • häufige Nebenwirkungen der konventionellen Therapieoptionen und steigende Antibiotika-Resistenzen
  • Fragmentierung und Spartendenken innerhalb der medizinischen Versorgung durch eine zunehmende Spezialisierung der Gesundheitsberufe
  • Limitation durch eine ausschließlich auf Krankheit fokussierte Perspektive.

Wir fordern

  • Zugang zu TCIH als Teil des rechtlichen Anspruchs auf Gesundheitsversorgung für alle Menschen
  • Integration von TCIH in die nationalen Gesundheitssystem
  • Geregelte Akkreditierung für Gesundheitsberufe in Abstimmung mit internationalen Ausbildungsstandard
  • Ermöglichung von Zugängen zu TCIH-Arzneimittel durch spezifische Zulassungsverfahren
  • Förderung von TCIH Forschungsprojekten
  • Bereitstellung von ausgewogenen und qualitativ hochwertigen Patienteninformationen zu TCIH.

Alle Informationen zu der Deklaration und der Zugang zur Online-Petition erhalten Sie hier.

2022-07-21T09:49:10+02:00

Ein Zwischenruf

„Mir war die Bereitschaft immer ein bisschen unheimlich, mit der sowohl Schreiber als auch Leser manchmal an eine Art Deckungsgleichkeit zwischen Wort und Wirklichkeit glauben wollen: als ob beispielsweise zwischen dem Wort „Meer“ und dem, worauf der Held einer Geschichte nach Westen segelt oder worin ein anderer schwimmend gegen das Ertrinken kämpft und schließlich untergeht, kein ungeheuerlicher Unterschied bestünde! Selbst ein Erzähler, der sich der Umgangssprache, eines Dialektes oder Slangs bedient, um der Wirklichkeit so nahe wie möglich zu kommen, wird schließlich nicht leugnen, dass ein Wort zwar vieles, sehr vieles tragen kann, aber kein Schiff.“

Christoph Ransmayr: „Gerede – Elf Ansprachen“ / Verlag S. Fischer

Was dem Schriftsteller als Wort zur Verfügung steht, ist dem Wissenschaftler die Zahl. Worte und Zahlen dienen der Annäherung an die Wirklichkeit, es bleibt die Frage, wie weit sie sich dieser jemals annähern können. Worte können Aspekte der Wirklichkeit beschreiben, das geschickte Zusammenfügen verschiedener Worte wird unter Umständen zur Kunst, die dazu führt, sich in einer kunstvoll beschriebenen Wirklichkeit zu fühlen, also das „Meer“ zu „riechen“, die Gischt zu „spüren“ oder die Brandung zu „hören“. Dennoch macht dieses „Meer“ uns nicht „nass“, kann uns nicht „tragen“ oder „verschlingen“. Das „Meer“ ist mehr. Ebenso, wie die Aufführung einer Sinfonie mehr ist als die Partitur und die rhythmische Aneinanderreihung der Töne.

Zahlen und deren Verarbeitung im Rahmen von statistischen Analysen und mathematischen Modellen können die Klimakrise beschreiben, aber sie lösen weder Starkregen aus noch Dürre. Zahlen beschreiben die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, aber sie sind weder der Schmerz noch die Verzweiflung. Algorithmen manipulieren unser Konsumverhalten, aber das Ergebnis ist weder Glück noch Zufriedenheit.

Zahlen, ihre Umwandlung in Punkte einer Kurve und deren Deutung als wissenschaftliche Aussage sind ohne Zweifel mehr oder weniger gelungene oder „kunstvolle“ Annäherungen an die Wirklichkeit, aber sie sind nicht das „Meer“ des Lebens. Im Rahmen der Medizin transportieren sie weder Emotionen, psychosoziale Verknüpfungen oder individuelle Maßstäbe von „Sinn“ oder „Wert“. Sie können nicht Ausdruck sein von Wut oder Trauer ob einer Krankheitsdiagnose, und sie können weder Seele noch Geist und auch nicht den Körper heilen, sie können keinen Trost spenden und keine Zuversicht schenken. Sie bleiben, was sie sind: abstrakte Zahlen, nützlich um Krankheiten, Therapieoptionen oder Heilungswahrscheinlichkeiten wissenschaftlich zu verpacken. Das „Meer“ bleibt unberührt wie der individuelle Mensch. Denn „Meer“ und Mensch sind ungleich mehr als die Versuche einer sprachlichen oder mathematischen Annäherung.

Nur das gelebte Leben macht „nass“, trägt uns ans Ufer oder verschlingt uns. Eine Medizin, die sich allein in statistischen Wahrscheinlichkeiten, Leitlinien oder Abstraktionen erschöpft ist ohne Zweifel mehr als gar keine Medizin, aber sie erreicht oft nicht den Menschen in der Fülle oder Armseligkeit seines Lebens, in individueller Not oder existentieller Verzweiflung. Wir brauchen diese Medizin, ohne Zweifel! Aber Menschen brauchen auch das Herz, die Erfahrung und den Verstand von Ärztinnen und Ärzten, die in erster Linie den Menschen in ihrer ganzen Vielfalt und Unterschiedlichkeit dienen und sich erst in zweiter Linie zur Wissenschaft in Zahl und Wort bekennen. Die das Wasser des Meeres hautnah spüren und erlebt haben und ihren Patientinnen und Patienten erfahrene „Schwimmlehrer“, oft auch „Rettungsschwimmer“ sind. Die Menschen „tragen“ wie das Meer ein Schiff.

Dr. med. Ulf Riker, 2. DZVhÄ Vorsitzender

2022-07-14T16:53:46+02:00

Ärztetag-Delegierter zum Aus der Weiterbildung Homöopathie

Dr. med. Jürgen de Laporte, Hausarzt und Facharzt für Innere Medizin aus Esslingen, berichtet als Delegierter des Deutschen Ärztetags (DÄT, 24. bis 27. Mai 2022) in Bremen über das Aus der Homöopathie in der Musterweiterbildungsordnung. 

Ein Thema, das die Delegierten überraschte, denn es wurde erst kurzfristig auf die Tagesordnung genommen – am Tag zuvor war davon noch keine Rede. Eine inhaltliche Diskussion fand entsprechend nicht statt. Vor der Abstimmung konnte de Laporte spontan nur noch ein kurzes Pro-Homöopathie Statement halten. Vor dem DÄT hatten sich bereits 13 von 17 Landesärztekammern gegen die Zusatzbezeichnung Homöopathie in der neuen Weiterbildungsordnung ausgesprochen.

Dr. de Laporte  betreibt in Esslingen eine hausärztliche Praxis. Er sieht ein grundsätzliches Kommunikationsproblem zwischen konventionell- und komplementärmedizinisch tätigen Ärztinnen und Ärzten. Er sagt: Die Erfahrungsräume dieser beiden Gruppen sind sehr unterschiedlich. Wahrgenommen wird von der jeweils anderen Gruppe nur das, was schiefläuft. Einig sind sich  beide Gruppen im Ziel, nämlich der gesunde Patient. Aber die Vorstellung darüber, was eine ausreichend gute Konsultation ausmacht, ist verschieden. Die Homöopathie-Kritiker fordern eine ausschließlich wissenschaftlich orientierte Medizin und fokussieren sich auf objektivierbare Diagnosen. Integrativ-Komplementärmedizinisch tätige Ärzt*innen erfragen dagegen die Gesamtheit der Symptome.

Jürgen de Laporte wirft den konventionell tätigen Kolleg*innen fehlende Wertschätzung der Arbeit der Ärzt*innen mit Zusatzbezeichnung Homöopathie vor. “Viele meinen mit dem Thema Globuli das Wesentliche der Homöopathie erfasst zu haben. Dass es sich hierbei um ein anderes, individuelles Menschenbild handelt, in dem Selbstregulation im Mittelpunkt steht, bleibt außen vor.“

Doch de Laporte spart auch nicht mit Kritik an den Kolleg*innen aus der Homöopathie: Nach seiner Einschätzung waren vor allem in den 80er und 90er Jahren viele homöopathisch tätige Ärzt*innen überheblich und meinten, ohne konventionelle Medizin auszukommen. „Sie verkörperten den Anspruch, die besseren Ärzt*innen zu sein und  haben sich vom Rest der Kolleg*innen entfernt.“

Die Entwicklung der letzten 10 Jahre, in denen dank WissHom und dem Homoepathy Research Institut (HRI) wissenschaftliche Studien unterstützt und veröffentlicht wurden, wurden vom Deutschen Ärztetag  nicht wahrgenommen. Das Vorurteil ´es gäbe keine Studien` wird gebetsmühlenartig wiederholt, oder es werden diese Studien nicht mit dem gleichen Maß, wie andere Studien in der Medizin beurteilt und verurteilt: Weil nicht sein darf, was nicht sein kann.

Dr. de Laporte sieht in der Zusatzbezeichnung Homöopathie ein wichtiges Element der zuhörenden Medizin. „Die Streichung ohne Alternative reißt eine deutliche Lücke in die Versorgung von Menschen mit komplexen Beschwerden. Patienten werden sich vermehrt weniger qualifizierten Behandlern zuwenden.“

Nachdem das Pendel in den letzten Jahren stark in Richtung studienorientierter Medizin ausgeschlagen hat und der individuelle Patient etwas aus dem Fokus etwas geraten ist, freut sich Dr. de Laporte, dass sich jetzt über die LiMED (Liste Integrative Medizin) die Erfahrungsheilkunde in die ärztlichen Gremien einbringen wird. „Somit kann beigetragen werden, die “evidence based medicine” mit ihren 3 Säulen Studien/ Erfahrung /Patientenwunsch wieder aus der Schieflage der  Überbewertung von Studienwissen in der Primärmedizin herauszukommen!“

2022-07-14T16:53:39+02:00

DZVhÄ kommentiert: Weiterbildung ohne Homöopathie?

Kommentar des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) zum Aus der Homöopathie in der Musterweiterbildungsordnung

Während am 26. Mai der Deutsche Ärztekongress für Homöopathie in Münster unter dem Motto Homöopathie wissenschaftlich-ökologisch-nachhaltig eröffnet wurde, stellten ein paar Kolleginnen beim Deutschen Ärztetag einen Antrag zur Streichung der Zusatzbezeichnung Homöopathie aus der gerade erst verabschiedeten Musterweiterbildungsordnung (MWBO), der nach kurzer Diskussion mit großer Mehrheit angenommen wurde.

Man kann nach der Motivation dieser Kolleginnen fragen: Gibt es so wenig andere Probleme im deutschen Gesundheitssystem? Ist diese ja nur in vier Landesärztekammern übernommene Zusatzbezeichnung ihnen solch ein Dorn im Auge? Warum nur?

Ganz sicher ist das vorgebrachte Argument der fehlenden Wissenschaftlichkeit erneut ein vorgeschobenes und fadenscheiniges. Ganz sicher haben sich diese Kolleginnen im Vorfeld nicht mit dem aktuellen wissenschaftlichen Stand auseinandergesetzt. Sonst hätten sie festgestellt, dass es Daten gibt, die sie mindestens zum Innehalten und Überdenken ihrer Position gebracht hätten. Sie hätten den kollegialen Austausch suchen können, um sich ein fundiertes Bild zu machen. Im anderen Fall hätten sie – wenn sie ehrlich wären – einen Parforceritt durch die MWBO machen und noch x weitere Zusatzbezeichnungen streichen müssen. Haben sie aber nicht. Sie haben sich vor den Karren einer Meinungsmache spannen lassen. Und nebenbei sind sie ihrer Aufgabe, die Interessen ihrer ärztlichen Kolleginnen zu vertreten, nicht nachgekommen.

Ganz sicher haben sie überdies den Patientinnen einen Bärendienst erwiesen: Die Ärztekammern geben die Sicherung einer qualifizierten ärztlichen Versorgung mit Homöopathie ab. Interessierten Patientinnen (und Kolleginnen!)  wird die Orientierung zu qualifizierten Ansprechpartnern erschwert. Sie ignorieren den von der Mehrheit der Patientinnen gewünschten integrativen Ansatz unter Einbeziehung der Homöopathie.

Was folgt? Eine fundierte Weiterbildung, qualifizierte Fortbildungen, das Aufrechterhalten von Standards zur Therapiesicherheit, die Laien und Kolleginnen, Patientinnen und anderen therapeutischen Berufsgruppen, sowie Kostenträgern Orientierung geben, liegen damit allein beim DZVhÄ.

Lassen Sie uns hier (noch) besser werden, lassen Sie uns den integrativen Ansatz leben, lassen Sie uns auf die Kolleginnen (transdisziplinär und transprofessionell) zugehen und unverdrossen den Dialog suchen. Nehmen wir diese Aufgabe ernst, die Homöopathie ist es wert!

Dr. med. Alexandra Schulze-Rohr, DZVhÄ-Vorstand Weiterbildung

2022-07-14T16:53:32+02:00
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