Statement des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) zum MDR Podcast Kekulés Gesundheits-Kompass, Folge #6 Homöopathie ist eine Religion vom 9. Juni 2022.
Der MDR hat in einem Podcast einen neuen Anti-Homöopathie-„Experten“ entdeckt: Prof. Kekulé, Virologe und Epidemiologe ist aus zahlreichen klugen Stellungnahmen rund um die Corona-Pandemie bekannt. Ein Dummkopf, wer sich als Laie einbildet, ihm in seinem Kompetenzbereich das Wasser reichen zu können. Kekulé selbst aber begibt sich mit großer Nonchalance und in lockerem Plauderton auf ein Gebiet, das nicht in seinem Kompetenzbereich liegt: die Homöopathie. Weil es ja im medialen Mainstream ausgemachte Sache zu sein scheint, dass auf diesem Feld Jede und Jeder seinen Senf dazu geben kann – und zwar ohne jede eigene Fachkompetenz oder Praxiserfahrung – ist es also durchaus „logisch“, dass sich Kekulé einreiht in die bunte Truppe aus Kabarettisten, Maschinenbauern, Verwaltungswissenschaftlern und, ja, auch ÄrztInnen, die aber alle hauptsächlich Eines eint: in den meisten Fällen haben sie keinerlei Therapieverantwortung für kranke Menschen und keine gewachsene Praxiserfahrung in der Anwendung der Homöopathie als Bestandteil integrativmedizinischer Therapie.
Kekulé: den Homöopathen sei „mit dem Quirl durchs Hirn gefahren“
Kekulé laviert wortreich durch die Fragen des Moderators und unternimmt dabei den Versuch, die zwei Herzen in seiner Brust in eine äußerst labile Balance zu bringen: einerseits sei er Naturwissenschaftler, und aus diesem Blickwinkel mache ihn die Homöopathie „wütend“, als Arzt aber müsse er sagen „wer heilt hat recht“. Weil man das aber eigentlich gar nicht mehr sagen darf, schwächt er diese Aussage umgehend wieder ab und unterstellt mehrfach, homöopathische ÄrztInnen hätten ausschließlich kommerzielle Interessen. Um seine verunglimpfende Unterstellung noch zu toppen, gibt er zu Protokoll, den Homöopathen sei „mit dem Quirl durchs Hirn gefahren“, eine erstaunlich unwissenschaftliche Aussage aus professoralem Munde. Eigentlich sollte ein hochangesehener Virologe die vielen individuellen Kombinationsmöglichkeiten von Beschwerden in der Praxis wenigstens gedanklich nachvollziehen können und nicht der Verlockung erliegen, das Leben ausschließlich aus der Sicht monokausaler Studien zu betrachten.
Auch sonst nimmt es Kekulé nicht so genau im Hinblick auf Stringenz seiner Aussagen: mal nennt er den Placebo-Effekt „fürchterlich, weil der haut Ihnen den echten Wirkungseffekt zusammen“ (gemeint sind Studien), mal redet er eben diesem Plabeo-Effekt wohlwollend das Wort („grundsätzlich nix Schlechtes“). Aber auch diese Aussage relativiert er gleich wieder: wenn ein Placebo-Effekt von der Homöopathie ausgelöst wird, dann handelt es sich natürlich um eine per se anrüchige „Professionalisierung und Industrialisierung“ dieses Effektes. So geht Messen mit zweierlei Maß!
Da ist es am Ende auch nicht mehr verwunderlich, dass gleich zwei ehemalige Präsidenten der Bundesärztekammer an den Pranger gestellt werden, weil sie in puncto Homöopathie anderer Meinung waren als Herr Kekulé heute. Es wundert auch nicht mehr, dass Homöopathie im Zusammenhang mit einer Aussage einer „Grünen“-Abgeordneten in assoziativen Zusammenhang mit „Fake Facts und rechten Verschwörungstheorien“ gestellt wird. Und wenn ein Internist mit Zusatzbezeichnung Homöopathie erst mal als „Heilpraktiker“ zitiert wird, dann scheint im Zusammenhang mit der Methode auch sauberes Recherchieren obsolet geworden zu sein.
„Kontamination der Wissenschaft“
Wenn allerdings homöopathischen ÄrztInnen „Aufgabe des wissenschaftlichen Anspruches“ und eine „Kontamination der Wissenschaft mit parawissenschaftlichen Ideen auf Grund von kommerziellen Interessen“ unterstellt wird, dann würde man sich doch vom Produzenten des Podcast (MDR) sowie vom Protagonisten Kekulé beweiskräftige Erklärungen erwarten. Denn nichts ist unsinniger und weiter an den Haaren herbeigezogen als die Aussage, homöopathische ÄrztInnen hätten das Terrain der Wissenschaft längst verlassen. Auch hier wird deutlich: man macht sich als Homöopathie-Kritiker nicht mehr die Mühe, die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Grundlagenforschung oder Ergebnisse aus der Versorgungsforschung zur Kenntnis zu nehmen.
„Si tacuisses“, möchte man Prof. Kekulé zurufen, aber irgendwie muss man sich wohl zu Wort melden, wenn einem das akademische Lehrdeputat irgendwie – unklar, ob zu Recht oder zu Unrecht – abhandengekommen ist. Vermutlich wäre es auch sinnvoller, wenn er sich wieder verstärkt seinen eigentlichen Forschungsgebieten zuwenden würde, anstatt sich fachfremd in Szene zu setzen.
Gerne stehen KollegInnen aus den Reihen des DZVhÄ für einen Podcast mit dem MDR zur Verfügung, wenn ein faktenbezogener Diskurs zur Homöopathie das redaktionelle Ziel sein sollte.