Die Uni Hamburg hat sich einen „Kodex Wissenschaftsfreiheit“ verordnet. Die Neue Züricher Zeitung stellt hierzu am 8. Februar 22 fest; „Wenn Selbstverständlichkeiten betont werden müssen, ist die Normalität bedroht“. Wissenschaftsfreiheit ist in Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz gewährleistet. Dennoch wird bereits in der Präambel des Kodex darauf hingewiesen, dass zum Beispiel die „Hervorbringung neuen Wissens, das für moderne Gesellschaften unverzichtbar ist“, nicht selten bedroht wird durch „Delegitimierung wissenschaftlicher Themen oder Gegenstände, die als unbequem oder bedrohlich empfunden werden“.
Auch wenn der Kodex vor dem Hintergrund von „cancel culture“ formuliert wurde hat er dennoch auch Bedeutung für die Homöopathie: Gegner der Homöopathie fordern ein Ende der Diskussion und weiterer Forschung im Bereich Homöopathie. Wissenschaft – verstanden als Orientierungshilfe in der Welt – beruht auf messbaren Fakten, die aber allein nicht in der Lage sind, die Welt und ihre komplexen Phänomene abschließend und endgültig zu beschreiben. Die Wissenschaftsgeschichte erweist sich als eine Folge von Paradigmenwechseln. Das Festhalten am Status quo des bislang Erkannten verhindert die „Hervorbringung neuen Wissens“. Das Ende der Forschung in einem Bereich der Wissenschaft zu fordern, kommt einer Kastration der Wissenschaft selbst gleich.
Nicht weniger, sondern mehr Wissenschaft ist zu fordern, wenn Phänomene zu beobachten sind, die mit den bisherigen Modellen der Erkenntnisgewinnung nicht schlüssig zu klären sind. Wissenschaft muss sich in Freiheit und ohne Voreingenommenheit entwickeln können. Oder mit den Worten von Max Planck:
„Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, dass die Gegner allmählich aussterben und dass die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht ist.“
Und noch ein weiterer Aspekt ist zu bedenken, der mit Freiheit – in einem weiteren Sinn! – zu tun hat: Messwerte haben im Zusammenhang mit Wissenschaft ihre Bedeutung. Wenn sie jedoch mit Grundwerten von Menschen in Konflikt geraten, dann ist es die Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass diese Grundwerte auch im Alltag der Menschen ihren Platz haben können. Das heißt im Zusammenhang mit Homöopathie: Die Freiheit, sich entlang eigener Grundwerte – in gesunden wie in kranken Tagen – entfalten zu können, ist ein Grundrecht. Wissenschaft hat mit ihren Möglichkeiten dazu beizutragen, diesem Grundrecht Substanz zu verleihen. Und Politik sollte verhindern, dass der Freiraum für Wissensgenerierung nicht durch weltanschauliche Interventionen eingeengt wird.
- Autor: Dr. med. Ulf Riker, Internist / Homöopathie / Naturheilverfahten, 2. Vorsitzender des DZVhÄ