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Homöopathie – Kassenleistung mit Evidenz!

Ist das nun das Sommerloch oder doch eher die Weiterführung einer Agenda der Skeptizisten, die Homöopathie ein für alle Male aus dem Gesundheitswesen der BRD zu werfen möchten? Homöopathie sei „nachweislich wissenschaftlich nicht wirksam“ meint FDP-Vize Vogel, und gehöre deshalb als Kassenleistung abgeschafft. Zwei Tage später liefert die Ex-Homöopathin Grams-Nobmann den erweiterten Argumentationsrahmen in einem Netzwerk der GRÜNEN. Klingt irgendwie nach konzertierter Aktion. Was aber sind die Fakten?

Seit Jahren gilt der sogenannte Australische Bericht des NHMRC, der australischen Gesundheitsbehörde, als Beweis dafür, dass Homöopathie keine klinische Wirksamkeit habe. Dieser Bericht hatte schwerwiegende verfahrenstechnische und wissenschaftliche Fehler und muss sich unter Anderem dem Vorwurf stellen, willkürlich gewählte Regeln bei der Auswahl der untersuchten Studien angewandt zu haben. Deshalb sah sich die Direktorin des NHMRC, Prof. Kelso 2019 zu der Richtigstellung veranlasst: „Entgegen einiger Behauptungen kam der Bericht nicht zu dem Schluss, dass Homöopathie ineffektiv ist“. Dennoch folgten und folgen Medien und Politik bis zum heutigen Tag den Aussagen des manipulierten Berichtes, die Korrektur von Prof. Kelso blieb weitgehend unberücksichtigt.

Auf Basis dieses fehlerhaften und damit wissenschaftlich nicht relevanten Berichtes hält sich die stereotyp wiederholte Aussage, Homöopathie wirke nicht über den Placebo-Effekt hinaus. Die dahinter stehende „Logik“: wenn Homöopathie nicht wirksam sein kann, aber dennoch wirkt (wie auch aus Reihen der Skeptizisten nicht grundsätzlich in Abrede gestellt wird!), dann kann es sich nur um einen Placebo-Effekt handeln. Wenn freilich das Ergebnis des australischen Berichtes, also der Ausgangsbefund gar nicht stimmt, dann muss auch die Schlussfolgerung revidiert werden.

Der Fall des „Australischen Berichtes“ lässt erahnen, dass im Bereich der Wissenschaft nicht immer korrekt gearbeitet und, wie das Beispiel Homöopathie zeigt, nicht selten mit zweierlei Maß gemessen wird: das NHMRC hat bei Homöopathie im Vergleich zu seiner sonstigen Praxis besonders strenge Regeln angewandt, diese „Sonderbehandlung“ aber nicht begründet.

Evidenzbasierung gilt als zentrale Forderung in der Wissenschaft und ist im Bereich der Medizin zu recht die Basis für Therapieleitlinien. In jüngerer Zeit gibt es immer wieder Zweifel daran, dass dieses Paradigma wirklich „sauber“ ist. Im anerkannten „British Medical Journal“ (BMJ) war jüngst von der „Illusion der evidenzbasierten Medizin“ die Rede. Und im „Journal of Clinical Epidemiology“ wird aktuell vorgerechnet, dass überhaupt nur 6 % aller Cochrane-Reviews solide belegte Hinweise auf Wirksamkeit der untersuchten Interventionen geben. Unter diesen Umständen wären also ziemlich viele, alltagsübliche medizinische Maßnahmen und Therapien auf den Prüfstand zu stellen: wie zielführend, relevant, verträglich, nebenwirkungsarm sind sie und wie lautet die korrekte Begründung für ihren Verbleib im Leistungskatalog der Krankenkassen?

Fakt ist, dass es für die Homöopathie inzwischen genügend plausible wissenschaftliche Hinweise für ihre grundsätzliche und spezifische Wirksamkeit gibt. Es ist und bleibt willkürlich, diese Fakten zu ignorieren. Die Grundlagenforschung zeigt, dass homöopathisch zubereitete Substanzen im Pflanzen- und Tiermodell signifikante und reproduzierbare Wirkungen zeigt. Die Versorgungsforschung gibt wiederholt Hinweise auf relevante Verbesserungen im klinischen Alltag bei gleichzeitig weniger Nebenwirkungen. Und nicht zuletzt zeigen auch Metaanalysen und Reviews statistisch signifikante positive Therapieeffekte, die über eine Placebowirkung hinausgehen.

Weitere Informationen, eine Auswahl:

Dass Erstattung von Homöopathie nicht nur ein Marketing-Trick der Krankenkassen zur Gewinnung junger, gutverdienender, nicht wirklich kranker Menschen, sondern eine wirksame und wirtschaftlich sinnvolle Therapie ist, hat jüngst die Securvita-Krankenkasse dargelegt: eine Auswertung der Daten von 15.700 Versicherten über mehr als drei Jahre zeigt, dass Homöopathie u.a. zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes, aber auch zur Reduktion von Krankenhausaufenthalten oder Krankentagen beiträgt, also zu einem positiven Effekt im Bereich wirtschaftlich relevanter Parameter.

„Solidargeld der Versicherten“ wird also nicht, wie von den Homöopathie-Gegnern permanent vorgetragen, für „nachweislich Unwirksames“ ausgegeben. Vielmehr ist Homöopathie eine weltweit und seit 200 Jahren bewährte Therapiemethode, die heute ihren wissenschaftlich und ökonomisch gut begründeten Platz in einer Integrativen Medizin der Zukunft hat und für mündige Menschen und Staatsbürger im Falle von Krankheit erhalten bleiben muss. Das erscheint auch in Anbetracht der resultierenden Krankenkassenkosten absolut vertretbar: diese liegen im Promillebereich! Vergessen wird leider in diesem Zusammenhang auch, dass homöopathie-affine Menschen ein durchaus überdurchschnittliches Gesundheitsbewusstsein haben und sehr oft ihre Selbstmedikation aus eigener Tasche zahlen, den Krankenkassen also sogar ganz konkret Kosten sparen.

Wenn man über einzusparendes Geld bei den Krankenkassen spricht, dann darf es nicht beim bloßen Hinweis auf die externe Evidenz aus Studien bleiben. Wichtig ist aus ökonomischer Sicht nämlich nicht nur, dass ein Medikament X bei einer Krankheit Y nachweislich wirken kann, sondern auch die Frage, wie häufig diese Wirkung im Praxisalltag bei konkreten Patient:innen tatsächlich auftritt, bzw. wie vielen Patient:innen mit der Diagnose Y das Medikament X verordnet werden muss, bis ein Patient tatsächlich davon profitiert. Diese „number needed to treat“ (NNT) ist ein beliebtes Maß für den – praktischen – Nutzen einer Behandlung. Eine Erhebung aus den USA, die in Nature veröffentlicht wurde, zeigt, dass z.B. bei Sodbrennen das Präparat Esomeprazol 24 Personen gegeben werden muss, bis einer tatsächlich davon profitiert. Ähnliches gilt auch für Cholesterinsenker, Asthmamittel oder Medikamente gegen Multiple Sklerose (bei einzelnen dieser „Blockbuster“ handelt es sich durchaus um teure Medikamente). Auch damit sollte die Einschätzung der Wirkung von Homöopathika und ihr geldwerter Vorteil verglichen werden.

Die Streichung der Homöopathie als Kassenleistung würde zu einer weiteren Spaltung innerhalb der Gesellschaft führen: einerseits diejenigen, die sich Homöopathie auch aus eigener Tasche leisten können, und andererseits diejenigen, denen das durch Streichung der Kassenleistung zukünftig verwehrt würde. In einer Zeit gesellschaftlicher Brüche brauchen wir aber nicht mehr, sondern weniger Spaltung!

Zusammenfassung

 Entgegen permanent vorgetragener Falsch-Aussagen ist Homöopathie

  • wissenschaftlich gut untersucht und über den Placeboeffekt hinaus wirksam. Anders lautende Aussagen sind falsch und werden auch durch permanente Wiederholung nicht richtiger.
  •  evidenzbasiert, sofern man nicht der willkürlichen Reduzierung der Definition (Sackett) von evidenzbasierter Medizin (EbM) allein auf externe Studienevidenz folgt, sondern auch die interne Evidenz (ärztliche Erfahrung) und die Wünsche der Patient:innen berücksichtigt.
  •  eine gesundheitsökonomisch relevante Ergänzung, teilweise Alternative zur konventionellen Medizin.

Die Forderung, Homöopathie mit Hinweis auf den Kostendruck im deutschen Gesundheitswesen als Kassenleistung zu streichen ist weder unter dem Aspekt ihrer theoretischen Begründung noch aus sachlichen und praxisrelevanten Gründen vertretbar. Im Gegenteil bietet Homöopathie eine Grundlage für längerfristige Einsparmöglichkeiten im Rahmen einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten modernen Medizin unter aktiver Beteiligung mündiger und selbstreflektierter Bürgerinnen und Bürger.

Der menschliche Organismus als hochkomplexes System lässt sich allein durch lineare Ursache-Wirkung-Korrelationen nicht vollständig und abschließend beschreiben. Die angeblich fehlende Plausibilität des Wirkprinzips der Homöopathie kann in einer auf wissenschaftlichen Fortschritt ausgerichteten Welt nicht ausschlaggebend sein in der Würdigung der Homöopathie. Solange Phänomene der Gravitation oder neuerdings auch der Quantenphysik (Stichwort: Quantenverschränkung – ein im Bereich der klassischen Physik „unmögliches“ Phänomen!) nicht endgültig und wissenschaftlich zufriedenstellend er- und geklärt sind ist auch weiterhin wissenschaftliche Offenheit und Neugier unumgänglich, wenn es um Homöopathie und ihr mutmaßliches Wirkprinzip geht. Eine Schlussfolgerung ähnlich dem „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“  entbehrt wissenschaftlicher Logik und medialer sowie politischer Sorgfalt.

Solange Grundlagenforschung placebofreie Effekte der Homöopathie und die Versorgungsforschung praxisrelevante und statistisch signifikante Wirkungen über den Placeboeffekt hinaus  dokumentiert, so lange sind Bestrebungen zur Elimination der Homöopathie kontraproduktiv und ausschließlich ideologisch begründet. Ideologie aber engt Sichtweisen immer ein und führt nicht zu einem mehr, sondern zu einem weniger an wohlverstandener und verantwortungsvoll in Anspruch genommener Freiheit.

Deshalb: Homöopathie muss aus den genannten Gründen und Hintergründen als Kassenleistung erhalten bleiben!

2022-07-27T08:06:14+02:00

Chefarzt Schmidt: Warum LIMed bei den Kammerwahlen antritt

Berlin, 20. Juli 2022. Robert Schmidt, Chefarzt am Krankenhaus für Naturheilweisen in München, erklärt im DZVhÄ-Video, warum die Integrative Liste (LIMed) für die Ärztekammerwahl in Bayern antritt und welche Ziele die künftigen Delegierten vertreten werden.

Zum Video

In den Delegiertenversammlungen der Ärztekammern wird die Integrative Medizin noch kaum vertreten. Nachdem in die Kammern von Niedersachsen und Rheinland-Pfalz bereits Vertreter:innen der Liste Integrativer Medizin (LIMed) eingezogen sind, sollen weitere kammern folgen. „In Bayern, Baden-Württemberg und in Bremen stehen Ende diesen Jahres die Landesärztekammer-Wahlen an und wir versuchen natürlich auch dort Delegierte in die Ärztekammern zu bekommen“, sagt Robert Schmidt. Im DZVhÄ-Video wirbt Schmidt dafür, die LIMed zu unterstützen, sei es im Wahlkampf oder als mögliche Delegierte.

2022-07-20T16:28:16+02:00

Weltweite Deklaration für Integrative Medizin

Mit dieser Deklaration für Traditionelle, Komplementäre und Integrative Gesundheitsversorgung soll weltweit der Blick auf den Pluralismus in der Medizin gerichtet werden. Zu den Initiatoren gehören u.a. EUROCAM und die European Federation of Homeopathic Patients’ Associations. Bereits 130 Organisationen, darunter der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ), WissHom und das HRI, haben die Deklaration an die WHO unterschrieben. Neben den Organisationen und Verbänden unterstützen auch Einzelpersonen die Forderungen.

Dr. med. Michaela Geiger, DZVhÄ-Vorsitzende: „Wir unterstützen diese Deklaration für traditionelle, komplementäre und integrative Versorgung. Sie ist ein starkes Signal im Schulterschluss mit vielen nationalen und internationalen Verbänden. Besonders für Deutschland fordern wir einen offenen wissenschaftlichen Diskurs, mehr Forschungsgelder und mehr Nachwuchsförderung im Bereich der Integrativen Medizin.“

Traditionelle, Komplementäre und Integrative Gesundheitsversorgung (Traditional, Complementary and Integrative Healthcare, TCIH) steht für eine respektvolle Zusammenarbeit zwischen verschiedenen medizinischen Systemen und unterschiedlichen Gesundheitsberufen. Das Ziel ist eine patientenzentrierte und ganzheitlich ansetzende Gesundheitsversorgung. In mindestens 80 Prozent der Mitgliedstaaten der WHO wird traditionelle und komplementäre Medizin angewendet.

Zentrale Inhalte der Deklaration

Die Gesundheitsversorgung, die wir wollen

  • fokussiert auf den ganzen Menschen mit seinen physischen, mentalen, sozialen und spirituellen Dimensione
  • ist patientenzentriert und unterstützt die körpereigenen Regulationsfähigkeiten
  • ist partizipativ angelegt und respektiert individuelle Entscheidungen
  • ist evidenzbasiert, indem sie klinische Erfahrungen, Patientenpräferenzen sowie vorhandene Forschungsergebnisse integrier
  • respektiert kulturelle Diversität und regionale Unterschiede
  • ist ein integraler Bestandteil der internationalen Konzepte von „Community Health“ und „Planetary Health“
  • nutzt natürliche und nachhaltige Ressourcen
  • integriert traditionelle, komplementäre und konventionelle medizinische Verfahren und unterstützt diese Zusammenarbeit ausdrücklich.

Wir respektieren ausdrücklich die Errungenschaften der modernen konventionellen Medizin, wir sehen aber auch deren Begrenzungen, zum Beispiel:

  • ungenügende Therapieoptionen bei chronischen und nicht-übertragbaren Erkrankungen
  • häufige Nebenwirkungen der konventionellen Therapieoptionen und steigende Antibiotika-Resistenzen
  • Fragmentierung und Spartendenken innerhalb der medizinischen Versorgung durch eine zunehmende Spezialisierung der Gesundheitsberufe
  • Limitation durch eine ausschließlich auf Krankheit fokussierte Perspektive.

Wir fordern

  • Zugang zu TCIH als Teil des rechtlichen Anspruchs auf Gesundheitsversorgung für alle Menschen
  • Integration von TCIH in die nationalen Gesundheitssystem
  • Geregelte Akkreditierung für Gesundheitsberufe in Abstimmung mit internationalen Ausbildungsstandard
  • Ermöglichung von Zugängen zu TCIH-Arzneimittel durch spezifische Zulassungsverfahren
  • Förderung von TCIH Forschungsprojekten
  • Bereitstellung von ausgewogenen und qualitativ hochwertigen Patienteninformationen zu TCIH.

Alle Informationen zu der Deklaration und der Zugang zur Online-Petition erhalten Sie hier.

2022-07-21T09:49:10+02:00

Ein Zwischenruf

„Mir war die Bereitschaft immer ein bisschen unheimlich, mit der sowohl Schreiber als auch Leser manchmal an eine Art Deckungsgleichkeit zwischen Wort und Wirklichkeit glauben wollen: als ob beispielsweise zwischen dem Wort „Meer“ und dem, worauf der Held einer Geschichte nach Westen segelt oder worin ein anderer schwimmend gegen das Ertrinken kämpft und schließlich untergeht, kein ungeheuerlicher Unterschied bestünde! Selbst ein Erzähler, der sich der Umgangssprache, eines Dialektes oder Slangs bedient, um der Wirklichkeit so nahe wie möglich zu kommen, wird schließlich nicht leugnen, dass ein Wort zwar vieles, sehr vieles tragen kann, aber kein Schiff.“

Christoph Ransmayr: „Gerede – Elf Ansprachen“ / Verlag S. Fischer

Was dem Schriftsteller als Wort zur Verfügung steht, ist dem Wissenschaftler die Zahl. Worte und Zahlen dienen der Annäherung an die Wirklichkeit, es bleibt die Frage, wie weit sie sich dieser jemals annähern können. Worte können Aspekte der Wirklichkeit beschreiben, das geschickte Zusammenfügen verschiedener Worte wird unter Umständen zur Kunst, die dazu führt, sich in einer kunstvoll beschriebenen Wirklichkeit zu fühlen, also das „Meer“ zu „riechen“, die Gischt zu „spüren“ oder die Brandung zu „hören“. Dennoch macht dieses „Meer“ uns nicht „nass“, kann uns nicht „tragen“ oder „verschlingen“. Das „Meer“ ist mehr. Ebenso, wie die Aufführung einer Sinfonie mehr ist als die Partitur und die rhythmische Aneinanderreihung der Töne.

Zahlen und deren Verarbeitung im Rahmen von statistischen Analysen und mathematischen Modellen können die Klimakrise beschreiben, aber sie lösen weder Starkregen aus noch Dürre. Zahlen beschreiben die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, aber sie sind weder der Schmerz noch die Verzweiflung. Algorithmen manipulieren unser Konsumverhalten, aber das Ergebnis ist weder Glück noch Zufriedenheit.

Zahlen, ihre Umwandlung in Punkte einer Kurve und deren Deutung als wissenschaftliche Aussage sind ohne Zweifel mehr oder weniger gelungene oder „kunstvolle“ Annäherungen an die Wirklichkeit, aber sie sind nicht das „Meer“ des Lebens. Im Rahmen der Medizin transportieren sie weder Emotionen, psychosoziale Verknüpfungen oder individuelle Maßstäbe von „Sinn“ oder „Wert“. Sie können nicht Ausdruck sein von Wut oder Trauer ob einer Krankheitsdiagnose, und sie können weder Seele noch Geist und auch nicht den Körper heilen, sie können keinen Trost spenden und keine Zuversicht schenken. Sie bleiben, was sie sind: abstrakte Zahlen, nützlich um Krankheiten, Therapieoptionen oder Heilungswahrscheinlichkeiten wissenschaftlich zu verpacken. Das „Meer“ bleibt unberührt wie der individuelle Mensch. Denn „Meer“ und Mensch sind ungleich mehr als die Versuche einer sprachlichen oder mathematischen Annäherung.

Nur das gelebte Leben macht „nass“, trägt uns ans Ufer oder verschlingt uns. Eine Medizin, die sich allein in statistischen Wahrscheinlichkeiten, Leitlinien oder Abstraktionen erschöpft ist ohne Zweifel mehr als gar keine Medizin, aber sie erreicht oft nicht den Menschen in der Fülle oder Armseligkeit seines Lebens, in individueller Not oder existentieller Verzweiflung. Wir brauchen diese Medizin, ohne Zweifel! Aber Menschen brauchen auch das Herz, die Erfahrung und den Verstand von Ärztinnen und Ärzten, die in erster Linie den Menschen in ihrer ganzen Vielfalt und Unterschiedlichkeit dienen und sich erst in zweiter Linie zur Wissenschaft in Zahl und Wort bekennen. Die das Wasser des Meeres hautnah spüren und erlebt haben und ihren Patientinnen und Patienten erfahrene „Schwimmlehrer“, oft auch „Rettungsschwimmer“ sind. Die Menschen „tragen“ wie das Meer ein Schiff.

Dr. med. Ulf Riker, 2. DZVhÄ Vorsitzender

2022-07-14T16:53:46+02:00

Ärztetag-Delegierter zum Aus der Weiterbildung Homöopathie

Dr. med. Jürgen de Laporte, Hausarzt und Facharzt für Innere Medizin aus Esslingen, berichtet als Delegierter des Deutschen Ärztetags (DÄT, 24. bis 27. Mai 2022) in Bremen über das Aus der Homöopathie in der Musterweiterbildungsordnung. 

Ein Thema, das die Delegierten überraschte, denn es wurde erst kurzfristig auf die Tagesordnung genommen – am Tag zuvor war davon noch keine Rede. Eine inhaltliche Diskussion fand entsprechend nicht statt. Vor der Abstimmung konnte de Laporte spontan nur noch ein kurzes Pro-Homöopathie Statement halten. Vor dem DÄT hatten sich bereits 13 von 17 Landesärztekammern gegen die Zusatzbezeichnung Homöopathie in der neuen Weiterbildungsordnung ausgesprochen.

Dr. de Laporte  betreibt in Esslingen eine hausärztliche Praxis. Er sieht ein grundsätzliches Kommunikationsproblem zwischen konventionell- und komplementärmedizinisch tätigen Ärztinnen und Ärzten. Er sagt: Die Erfahrungsräume dieser beiden Gruppen sind sehr unterschiedlich. Wahrgenommen wird von der jeweils anderen Gruppe nur das, was schiefläuft. Einig sind sich  beide Gruppen im Ziel, nämlich der gesunde Patient. Aber die Vorstellung darüber, was eine ausreichend gute Konsultation ausmacht, ist verschieden. Die Homöopathie-Kritiker fordern eine ausschließlich wissenschaftlich orientierte Medizin und fokussieren sich auf objektivierbare Diagnosen. Integrativ-Komplementärmedizinisch tätige Ärzt*innen erfragen dagegen die Gesamtheit der Symptome.

Jürgen de Laporte wirft den konventionell tätigen Kolleg*innen fehlende Wertschätzung der Arbeit der Ärzt*innen mit Zusatzbezeichnung Homöopathie vor. “Viele meinen mit dem Thema Globuli das Wesentliche der Homöopathie erfasst zu haben. Dass es sich hierbei um ein anderes, individuelles Menschenbild handelt, in dem Selbstregulation im Mittelpunkt steht, bleibt außen vor.“

Doch de Laporte spart auch nicht mit Kritik an den Kolleg*innen aus der Homöopathie: Nach seiner Einschätzung waren vor allem in den 80er und 90er Jahren viele homöopathisch tätige Ärzt*innen überheblich und meinten, ohne konventionelle Medizin auszukommen. „Sie verkörperten den Anspruch, die besseren Ärzt*innen zu sein und  haben sich vom Rest der Kolleg*innen entfernt.“

Die Entwicklung der letzten 10 Jahre, in denen dank WissHom und dem Homoepathy Research Institut (HRI) wissenschaftliche Studien unterstützt und veröffentlicht wurden, wurden vom Deutschen Ärztetag  nicht wahrgenommen. Das Vorurteil ´es gäbe keine Studien` wird gebetsmühlenartig wiederholt, oder es werden diese Studien nicht mit dem gleichen Maß, wie andere Studien in der Medizin beurteilt und verurteilt: Weil nicht sein darf, was nicht sein kann.

Dr. de Laporte sieht in der Zusatzbezeichnung Homöopathie ein wichtiges Element der zuhörenden Medizin. „Die Streichung ohne Alternative reißt eine deutliche Lücke in die Versorgung von Menschen mit komplexen Beschwerden. Patienten werden sich vermehrt weniger qualifizierten Behandlern zuwenden.“

Nachdem das Pendel in den letzten Jahren stark in Richtung studienorientierter Medizin ausgeschlagen hat und der individuelle Patient etwas aus dem Fokus etwas geraten ist, freut sich Dr. de Laporte, dass sich jetzt über die LiMED (Liste Integrative Medizin) die Erfahrungsheilkunde in die ärztlichen Gremien einbringen wird. „Somit kann beigetragen werden, die “evidence based medicine” mit ihren 3 Säulen Studien/ Erfahrung /Patientenwunsch wieder aus der Schieflage der  Überbewertung von Studienwissen in der Primärmedizin herauszukommen!“

2022-07-14T16:53:39+02:00

DZVhÄ kommentiert: Weiterbildung ohne Homöopathie?

Kommentar des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) zum Aus der Homöopathie in der Musterweiterbildungsordnung

Während am 26. Mai der Deutsche Ärztekongress für Homöopathie in Münster unter dem Motto Homöopathie wissenschaftlich-ökologisch-nachhaltig eröffnet wurde, stellten ein paar Kolleginnen beim Deutschen Ärztetag einen Antrag zur Streichung der Zusatzbezeichnung Homöopathie aus der gerade erst verabschiedeten Musterweiterbildungsordnung (MWBO), der nach kurzer Diskussion mit großer Mehrheit angenommen wurde.

Man kann nach der Motivation dieser Kolleginnen fragen: Gibt es so wenig andere Probleme im deutschen Gesundheitssystem? Ist diese ja nur in vier Landesärztekammern übernommene Zusatzbezeichnung ihnen solch ein Dorn im Auge? Warum nur?

Ganz sicher ist das vorgebrachte Argument der fehlenden Wissenschaftlichkeit erneut ein vorgeschobenes und fadenscheiniges. Ganz sicher haben sich diese Kolleginnen im Vorfeld nicht mit dem aktuellen wissenschaftlichen Stand auseinandergesetzt. Sonst hätten sie festgestellt, dass es Daten gibt, die sie mindestens zum Innehalten und Überdenken ihrer Position gebracht hätten. Sie hätten den kollegialen Austausch suchen können, um sich ein fundiertes Bild zu machen. Im anderen Fall hätten sie – wenn sie ehrlich wären – einen Parforceritt durch die MWBO machen und noch x weitere Zusatzbezeichnungen streichen müssen. Haben sie aber nicht. Sie haben sich vor den Karren einer Meinungsmache spannen lassen. Und nebenbei sind sie ihrer Aufgabe, die Interessen ihrer ärztlichen Kolleginnen zu vertreten, nicht nachgekommen.

Ganz sicher haben sie überdies den Patientinnen einen Bärendienst erwiesen: Die Ärztekammern geben die Sicherung einer qualifizierten ärztlichen Versorgung mit Homöopathie ab. Interessierten Patientinnen (und Kolleginnen!)  wird die Orientierung zu qualifizierten Ansprechpartnern erschwert. Sie ignorieren den von der Mehrheit der Patientinnen gewünschten integrativen Ansatz unter Einbeziehung der Homöopathie.

Was folgt? Eine fundierte Weiterbildung, qualifizierte Fortbildungen, das Aufrechterhalten von Standards zur Therapiesicherheit, die Laien und Kolleginnen, Patientinnen und anderen therapeutischen Berufsgruppen, sowie Kostenträgern Orientierung geben, liegen damit allein beim DZVhÄ.

Lassen Sie uns hier (noch) besser werden, lassen Sie uns den integrativen Ansatz leben, lassen Sie uns auf die Kolleginnen (transdisziplinär und transprofessionell) zugehen und unverdrossen den Dialog suchen. Nehmen wir diese Aufgabe ernst, die Homöopathie ist es wert!

Dr. med. Alexandra Schulze-Rohr, DZVhÄ-Vorstand Weiterbildung

2022-07-14T16:53:32+02:00

MDR Podcast, Prof. Kekulé und die Homöopathie

Statement des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) zum MDR Podcast Kekulés Gesundheits-Kompass, Folge #6 Homöopathie ist eine Religion vom 9. Juni 2022.

Der MDR hat in einem Podcast einen neuen Anti-Homöopathie-„Experten“ entdeckt: Prof. Kekulé, Virologe und Epidemiologe ist aus zahlreichen klugen Stellungnahmen rund um die Corona-Pandemie bekannt. Ein Dummkopf, wer sich als Laie einbildet, ihm in seinem Kompetenzbereich das Wasser reichen zu können. Kekulé selbst aber begibt sich mit großer Nonchalance und in lockerem Plauderton auf ein Gebiet, das nicht in seinem Kompetenzbereich liegt: die Homöopathie. Weil es ja im medialen Mainstream ausgemachte Sache zu sein scheint, dass auf diesem Feld Jede und Jeder seinen Senf dazu geben kann – und zwar ohne jede eigene Fachkompetenz oder Praxiserfahrung – ist es also durchaus „logisch“, dass sich Kekulé einreiht in die bunte Truppe aus Kabarettisten, Maschinenbauern, Verwaltungswissenschaftlern und, ja, auch ÄrztInnen, die aber alle hauptsächlich Eines eint: in den meisten Fällen haben sie keinerlei Therapieverantwortung für kranke Menschen und keine gewachsene Praxiserfahrung in der Anwendung der Homöopathie als Bestandteil integrativmedizinischer Therapie.

Kekulé: den Homöopathen sei „mit dem Quirl durchs Hirn gefahren“

Kekulé laviert wortreich durch die Fragen des Moderators und unternimmt dabei den Versuch, die zwei Herzen in seiner Brust in eine äußerst labile Balance zu bringen: einerseits sei er Naturwissenschaftler, und aus diesem Blickwinkel mache ihn die Homöopathie „wütend“, als Arzt aber müsse er sagen „wer heilt hat recht“. Weil man das aber eigentlich gar nicht mehr sagen darf, schwächt er diese Aussage  umgehend wieder ab und unterstellt mehrfach, homöopathische ÄrztInnen hätten ausschließlich kommerzielle Interessen. Um seine verunglimpfende Unterstellung noch zu toppen, gibt er zu Protokoll, den Homöopathen sei „mit dem Quirl durchs Hirn gefahren“, eine erstaunlich unwissenschaftliche Aussage aus professoralem Munde. Eigentlich sollte ein hochangesehener Virologe die vielen individuellen Kombinationsmöglichkeiten von Beschwerden in der Praxis wenigstens gedanklich nachvollziehen können und nicht der Verlockung erliegen, das Leben ausschließlich aus der Sicht monokausaler Studien zu betrachten.

Auch sonst nimmt es Kekulé nicht so genau im Hinblick auf Stringenz seiner Aussagen: mal nennt er den Placebo-Effekt „fürchterlich, weil der haut Ihnen den echten Wirkungseffekt zusammen“ (gemeint sind Studien), mal redet er eben diesem Plabeo-Effekt wohlwollend das Wort („grundsätzlich nix Schlechtes“). Aber auch diese Aussage relativiert er gleich wieder: wenn ein Placebo-Effekt von der Homöopathie ausgelöst wird, dann handelt es sich natürlich um eine per se anrüchige „Professionalisierung und Industrialisierung“ dieses Effektes. So geht Messen mit zweierlei Maß!

Da ist es am Ende auch nicht mehr verwunderlich, dass gleich zwei ehemalige Präsidenten der Bundesärztekammer an den Pranger gestellt werden, weil sie in puncto Homöopathie anderer Meinung waren als Herr Kekulé heute. Es wundert auch nicht mehr, dass Homöopathie im Zusammenhang mit einer Aussage einer „Grünen“-Abgeordneten in assoziativen Zusammenhang mit „Fake Facts und rechten Verschwörungstheorien“ gestellt wird. Und wenn ein Internist mit Zusatzbezeichnung Homöopathie erst mal als „Heilpraktiker“ zitiert wird, dann scheint im Zusammenhang mit der Methode auch sauberes Recherchieren obsolet geworden zu sein.

„Kontamination der Wissenschaft“

Wenn allerdings homöopathischen ÄrztInnen „Aufgabe des wissenschaftlichen Anspruches“ und eine „Kontamination der Wissenschaft mit parawissenschaftlichen Ideen auf Grund von kommerziellen Interessen“ unterstellt wird, dann würde man sich doch vom Produzenten des Podcast (MDR) sowie vom Protagonisten Kekulé beweiskräftige Erklärungen erwarten. Denn nichts ist unsinniger und weiter an den Haaren herbeigezogen als die Aussage, homöopathische ÄrztInnen hätten das Terrain der Wissenschaft längst verlassen. Auch hier wird deutlich: man macht sich als Homöopathie-Kritiker nicht mehr die Mühe, die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Grundlagenforschung oder  Ergebnisse aus der Versorgungsforschung zur Kenntnis zu nehmen.

„Si tacuisses“, möchte man Prof. Kekulé zurufen, aber irgendwie muss man sich wohl zu Wort melden, wenn einem das akademische Lehrdeputat irgendwie – unklar, ob zu Recht oder zu Unrecht – abhandengekommen ist. Vermutlich wäre es auch sinnvoller, wenn er sich wieder verstärkt seinen eigentlichen Forschungsgebieten zuwenden würde, anstatt sich fachfremd in Szene zu setzen.

Gerne stehen KollegInnen aus den Reihen des DZVhÄ für einen Podcast mit dem MDR  zur Verfügung, wenn ein faktenbezogener Diskurs zur Homöopathie das redaktionelle Ziel sein sollte.

2022-07-14T16:53:20+02:00

Rachel Roberts (HRI): Homöopathie ist mehr als Placebo

Interview mit Rachel Roberts, Geschäftsführerin des britischen Homeopathy Research Instituts (HRI). Sie ist Expertin zum Thema Homöopathie-Forschung. Roberts erkläert u.a. die Standards qualitativ guter Forschung und nennt Homöopathie-Studien, die diese Standards erfüllen. Auf die Frage nach der Wirkung homöopathischer Arzneien sagt sie: „Die besten Untersuchungen zeigen, dass homöopathische Arzneimittel echte klinische Wirkung haben, die über den Placebo-Effekt hinausgehen.“

Was sind Ihrer Meinung nach die drei wichtigsten Qualitätsmerkmale für gute Forschung?

Wenn ich die Qualität von Homöopathie Studien beurteile, achte ich immer auf das, was ich als kompromisslose Forschung bezeichne – d. h. Studien, die die richtigen Fragen stellen, die die hochwertigsten konventionellen wissenschaftlichen Forschungstechniken anwenden und die es außerdem schaffen, die Qualität der homöopathischen Behandlung der Patienten nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden.

Das bedeutet für mich gute Forschung:

  1. Sie untersucht potenzielle neue Behandlungen für Patienten, die dringend klinische Hilfe benötigen. Es macht keinen Sinn, die Homöopathie für Krankheiten zu erforschen, bei denen die konventionelle Medizin bereits hervorragende Arbeit leistet. Viel wichtiger ist es, zu prüfen, ob die Homöopathie Patienten helfen kann, für die es derzeit keine ausreichend wirksame Behandlung gibt oder bei denen die vorhandenen Behandlungen problematisch sind – weil sie etwa unerwünschte Nebenwirkungen verursachen oder kontraindiziert sind.
  2. Es werden Studiendesigns und Ergebnismessungen (Instrumente zur Messung der Auswirkungen der getesteten Behandlung) verwendet, die in der wissenschaftlichen Welt allgemein anerkannt sind.
  3. Die Wahl der Arznei(en), die Dosierung und die Dauer der Behandlung sollten der Behandlung ähnlicher Patienten durch gut ausgebildete homöopathische Verordner in der realen Welt entsprechen.

 

Können Sie uns ein Beispiel einer Studie nach Ihrem Qualitätsanspruch nennen?

Eine meiner derzeitigen Lieblingsarbeiten, die ein perfektes Beispiel für all diese Elemente darstellt, ist eine israelische Studie (Lotan et al. 2020), in der untersucht wurde, ob die Homöopathie Seromen (Flüssigkeitsansammlungen nach Operationen) nach einer Mastektomie bei Patientinnen mit Brustkrebs vorbeugen kann. Serome verursachen in der Regel starke Beschwerden und verzögern die Heilung, doch gibt es keine andere konventionelle Behandlung als das Anlegen von Drainagen nach der Operation, um die Flüssigkeit zu entfernen.

Diese „Goldstandard“-Studie – eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie – ergab, dass bei den Frauen, die nach der Operation mit homöopathischen Arzneimitteln (Arnica montana und Bellis perennis) behandelt wurden, die Drainagen 2,4 Tage früher (18 % früher) entfernt werden konnten als bei den Frauen, die ein Placebo erhielten. Bedauerlicherweise müssen sich viele Frauen einer solchen Operation unterziehen, so dass es sehr wünschenswert wäre, wenn weitere Forschungen in diesem Bereich durchgeführt würden, mit dem Ziel, dieses einfache homöopathische Behandlungsprotokoll als durchzuführende, kostengünstige Ergänzung der routinemäßigen Nachsorge für solche Patientinnen einzuführen.

Wie beurteilen Sie die Standards in der Homöopathie Forschung?

Die Standards in der Homöopathie Forschung sind im Vergleich zu anderen Bereichen, einschließlich der konventionellen medizinischen Forschung, sehr gut. Laut den Ergebnissen einer kürzlich im BMJ veröffentlichten Studie (Gartlehner et al. 2022) scheint der Forschungssektor der Homöopathie die konventionelle Medizin in Bezug auf wissenschaftliche und ethische Standards zu übertreffen, mit einem geringeren Maß an „Berichtsverzerrungen“ – ein Problem, das zu einer Überschätzung des Nutzens von Behandlungen führen kann. So wurde beispielsweise untersucht, wie oft die Forscher das „primäre Ergebnis“ änderten, d. h. welches Symptom bzw. welche Messung, das während einer Studie überwacht wurde, als das wichtigste „Ergebnis“ der Studie angesehen wurde. Es wurde festgestellt, dass dieses Verschieben, um günstigere Ergebnisse zu erzielen, in 25 % der Homöopathie-Forschungsstudien vorkommt, während dies in 43 % der Studien der konventionellen Medizin der Fall ist (Shah K et al, 2020).

Ich beschäftige mich nun schon seit über zehn Jahren mit der Homöopathie Forschung und es ist schön zu sehen, dass immer mehr qualitativ hochwertige Studien veröffentlicht werden. Laut Dr. Robbert van Haselen, dem Direktor des World Integrated Medicine Forum, zeigt die Evidenzbasis der Homöopathie in den letzten Jahren einen klar erkennbaren Trend zur Verbesserung der Studienqualität. Es wird also auf immer höherem Niveau geforscht – wir müssen nur noch mehr davon produzieren!

An welchen Homöopathie-Themen arbeiten die Wissenschaftler derzeit?

Ein spannendes Forschungsgebiet ist die Erforschung des Einsatzes der Homöopathie über die klinische Medizin hinaus, als Teil einer nachhaltigen und ökologischen Landwirtschaft. Die Verwendung ungiftiger homöopathischer Produkte anstelle chemischer Pestizide oder der Ersatz von Antibiotika in der Viehzucht durch homöopathische Arzneimittel könnte beispielsweise die Umweltverschmutzung und die Verunreinigung der Nahrungskette verringern.

Können Sie die Aussage „Homöopathie funktioniert nicht über den Placebo-Effekt“ bestätigen?

Ganz und gar nicht. Dies ist eine häufig genannte Theorie, aber die Daten sind einfach nicht vorhanden, um sie zu stützen. Im Gegenteil, die strengsten Untersuchungen zeigen, dass homöopathische Arzneimittel eine echte klinische Wirkung haben, die über den Placebo-Effekt hinausgeht – den man bei allen medizinischen Behandlungen beobachten kann.

Laborforscher in mehreren Ländern haben gezeigt, dass homöopathische Arzneimittel biologische Wirkungen bei Pflanzen, Fischen, Kaulquappen und sogar isolierten Blutzellen haben können. Diese Ergebnisse können nicht durch Placebo erklärt werden.

Und wenn wir uns die klinische Forschung ansehen, so hat der bahnbrechende Bericht von Dr. Robert Mathie aus dem Jahr 2014 gezeigt, dass individuell verschriebene homöopathische Arzneimittel mit 1,5- bis 2,0-fach höherer Wahrscheinlichkeit eine positive Wirkung haben als Placebo. Die klinische Wirkung, die er bei homöopathischen Arzneimitteln feststellte, ist ähnlich wie bei verschiedenen konventionellen Medikamenten, z. B. Sumatriptan bei Migräne, Fluoxetin bei schweren depressiven Störungen und Cholinesterasehemmer bei Demenz.

Wenn man sieht, dass diese Art von positiven Daten in allen Teilbereichen der Forschung – Laborexperimente, Veterinär- und Humanforschung – generiert werden, ist der Gesamttrend schwer zu ignorieren.

Referenzen

  1. Lotan AM et al. Arnica montana and Bellis perennis for seroma reduction following mastectomy and immediate breast reconstruction: randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Europäische Zeitschrift für Plastische Chirurgie, 2020: 43, 285-294.
  2. Gartlehner G et al. Assessing the magnitude of reporting bias in trials of homeopathy: a cross-sectional study and meta-analysis. BMJ Evidence-Based Medicine, 2022; eFirst
  3. Shah K et al. Outcome reporting bias in Cochrane systematic reviews: a cross-sectional analysis. BMJ Open, 2020;16;10:e032497.

 

Rachel Roberts

ist Geschäftsführerin des Homeopathy Research Institute (HRI) und arbeitet seit 2010 für das Institut. Sie schloss ihr Studium der Biowissenschaften an der Universität Birmingham (UK) mit Auszeichnung ab und spezialisierte sich auf Physiologie. Außerdem absolvierte sie 1997 das College of Homeopathy in London und arbeitete anschließend bis 2012 als Homöopathin in privater Praxis. Rachel Roberts unterrichtete Homöopathie und medizinische Wissenschaft an verschiedenen Institutionen in und außerhalb Großbritanniens.

Über HRI

HRI ist eine im Vereinigten Königreich ansässige gemeinnützige Organisation, die sich der Förderung qualitativ hochwertiger Forschung im Bereich der Homöopathie auf internationaler Ebene widmet. Weitere Informationen: www.hri-research.org

2024-09-10T10:51:13+02:00

Leserbrief von Dr. Anette Schuricht zu Antibiotikaresistenzen

Die Ärzte Zeitung berichtet am 15. Juni 22 über das Thema Herausforderung Antibiotikaresistenzen. Dazu hat Dr. Annette Schuricht, Fachärztin für Allgemeinmedizin aus Berlin, diese Meinung:

„Wenn wir jetzt so ein massives Problem mit Antibiotikaresistenzen haben, vor allem gefördert  durch den übermäßigen Gebrauch in der Landwirtschaft, und wir alles tun müssen, um dem entgegenzutreten, dann finde ich es vollkommen absurd, ausgerechnet jetzt den Landwirten den Einsatz von homöopathischen Arzneimitteln zu verbieten! Dass dadurch signifikant der Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht gesenkt werden konnte, ist in Studien belegt. Sicher müssen wir auch intensiv an der Entwicklung neuer Antibiotika arbeiten und sicher sollte sich auch grundsätzlich in der Art der Tierhaltung und beim Fleischkonsum der Bevölkerung schnell einiges ändern. Aber wie in allen Bereichen ist der Pluralismus in der Medizin von unschätzbarem Wert. Wer dies politisch verhindert ist in meinen Augen verantwortungslos.“

2022-07-14T16:53:06+02:00
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