Die Allgemeine Homöopathische Zeitung (AHZ) ist die Mitgliederzeitschrift des DZVhÄ. In der vierten Ausgabe 2023 steht das Thema „Angsterkrankungen“ im Mittelpunkt. Lesen Sie das Editorial und die Vereinsmitteilung in voller Länge und stöbern Sie im Inhaltsverzeichnis. Mitglieder erhalten die komplette Print-Ausgabe automatisch im Rahmen ihrer Mitgliedschaft.
Editorial: Angsterkrankungen
von Ulrich Koch
Die deutsche Angst – Ein kulturelles Phänomen
„Die Deutschen haben die Neigung, sich zu ängstigen“, stellte einst der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt fest. Verunsicherung ist eine dominante gesellschaftliche Grundstimmung der Deutschen, und in den umgebenden Ländern sind wir dafür bekannt, dieser, selbst wenn sie noch so unbedeutend sein sollte, mit etlichen Metern Ratgeberliteratur abhelfen zu wollen. Für jede Problemlage gibt es umfang- und detailreiche Anweisungen, wie ihr zu begegnen ist und damit die zugrunde liegende Angst gebannt und abgewehrt werden kann.
„German Angst“ und ihre Wurzeln
„German Angst“ wird dieses typisch deutsche Phänomen, das seine Wurzeln sicher auch in den kollektiven traumatischen Erfahrungen zweier Weltkriege hat, im angelsächsischen Raum genannt und bezeichnet eine anhaltend hohe Anspannung in der Befürchtung vor allem von existenziellen Bedrohungen. Da reagiert auch mal der Magen-Darm-Trakt, denn wir haben, wie der Volksmund sagt, „Schiss“, was immerhin aus psychodynamischer Sicht die Hamsterkäufe an Toilettenpapier während der Lockdown-Zeiten unter Corona in ein verständlicheres und freundlicheres Licht stellt.
Der Umgang mit der Angst – Ein Beispiel aus der Literatur
Doch wie kann man seine Ängste überwinden? Michael Ende beschreibt in Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer deren Begegnung mit dem allegorischen Scheinriesen Tur Tur:
„Wenn man Angst hat, sieht meistens alles viel schlimmer aus, als es in Wirklichkeit ist!“, sagte Lukas zu Jim. Dann gingen sie gemeinsam aufeinander zu. Was nun geschah, war sehr erstaunlich. Der Riese kam Schritt für Schritt näher, und bei jedem Schritt wurde er ein bisschen kleiner. Als er nur noch etwa hundert Meter entfernt war, schien er nicht mehr viel größer zu sein als ein hoher Kirchturm. Nach weiteren fünfzig Metern hatte er nur noch die Höhe eines Hauses, und als er schließlich bei den beiden Freunden ankam, war er genauso groß wie Lukas, der Lokomotivführer – er war sogar einen Kopf kleiner!
„Guten Tag, ich heiße Herr Tur Tur und bin ein Scheinriese. Je weiter ich entfernt bin, desto größer sehe ich aus. Und je näher ich komme, desto mehr erkennt man meine wirkliche Gestalt.“ „Sie meinen“, fragte Lukas, „Sie werden gar nicht wirklich kleiner, wenn Sie näherkommen? Sie sind auch nicht wirklich so riesengroß, wenn Sie weiter entfernt sind, sondern es sieht nur so aus?“ „Sehr richtig“, sagte Herr Tur Tur, „daher bin ich nur ein Scheinriese.“
„Siehst Du, Jim“, sagte Lukas, „genauso habe ich das mit der Angst gemeint.“
Traditionelle und moderne Ansätze zur Angstbewältigung
Die älteste Therapie für Ängste beschrieben die alten Tibeter bereits vor Tausenden von Jahren: nicht ausweichen! Da Ängste unser Menschsein seit Menschengedenken begleiten, haben wir schnell phytopharmakologische Behandlungswege gefunden, und die Suche, das angstvolle Leiden an der Welt zu lindern, hat uns bis heute zu vielen betäubenden und abhängig machenden Substanzen geführt.
Da zeigt sich die Homöopathie als bemerkenswerte Alternative, der Tyrannei der Angst, wie Ernst Trebin seine Fallgeschichte betitelt hat, zu begegnen und diese aufzulösen. Auch bei Heinz Wittwers Artikel Verschreibungen von Muttermitteln aufgrund der Causa findet sich Angst als häufiges Thema in Spektrum der beschriebenen Arzneien. In der Evaluation von sechs Repertoriumsrubriken von Rainer Schäferkordt findet sich auch eine differenzierende Betrachtung zu 2 Angstrubriken, wobei sich der Artikel im Kern mit einem neuen Ansatz der Arzneifindung auf der Basis miteinander kombinierter Phänomene, die der Materia medica entnommen wurden, auseinandersetzt. Schließlich gibt ein Artikel aus eigener Feder Angststörungen und ihre homöopathische Behandlung eine Übersicht über wichtige Aspekte in deren Behandlung.
Hoffnung auf angstfreie Wege
So bleibt zu hoffen, dass dieses Heft etwas dazu beitragen kann, dass unsere Patienten angstfreier durch ihr Leben gehen können.